Kalte Wut
sein angeblich sagenhaftes Vermögen überprüfe. Die Spur führte schließlich nach Liechtenstein.«
»Die Heimat der Scheinkonten«, bemerkte Tweed.
»Nicht in diesem Fall. Sein Vermögen ist riesig, und ein großer Teil besteht aus Bargeld. Aber ich rede zu viel. Das liegt vermutlich am Champagner. Wenigstens habe ich nicht verraten, wo ich war oder mit wem ich mich getroffen habe.«
»Ist dieser Job nicht gelegentlich sehr gefährlich?« fragte Jill.
»Es gibt doch bestimmt Leute, denen diese Art von Nachforschungen nicht gefällt.«
»Die gibt es.« Lisa trank noch mehr Champagner aus dem Glas, das Newman gerade zum drittenmal wieder gefüllt hatte. »Es kommt gelegentlich vor, daß ich einen Buchhalter in seinem Büro interviewen muß, von dem ich weiß, daß er ein Gauner ist. Er weiß nicht, daß ich weiß, daß er doppelte Buchführung betreibt – eine für die Aktionäre, die große Profite ausweist, die andere für den Direktor der Firma, aus der hervorgeht, wie nahe sie dem Bankrott ist.«
»Das muß gefährlich sein«, beharrte Jill.
»Oh, ich erwähne schon ziemlich zu Anfang des Gesprächs, daß ich nicht viel von seiner Zeit in Anspruch zu nehmen gedenke, weil mein Freund, der früher beim SAS war, in einem Cafe auf der anderen Straßenseite auf mich wartet. Das sorgt dafür, daß er sich anständig benimmt.«
Tweed drehte sich auf seinem Stuhl zu Jill um. Sie schwang sofort auf ihrem eigenen Stuhl herum, wodurch ihre Knie sehr dicht an die seinen heranrückten.
»Sind Sie froh, wieder in München zu sein?«
»Sie meinen«, fragte sie mit einem freundlichen Lächeln, »ob ich froh bin, aus Salzburg zurückgekehrt zu sein?«
Sie hatte die Stimme gesenkt, und Tweed hatte den Eindruck, daß sie nicht wollte, daß Lisa, die jetzt ihre gesamte Aufmerksamkeit auf Newman konzentrierte, ihre Unterhaltung mithörte.
»Ja, das meine ich«, gab Tweed zu.
»Die Stadt hat etwas Gespenstisches – jedenfalls die Altstadt.
Als ich dort allein unterwegs war, habe ich in einer dieser bedrückend engen Gassen eine seltsame Frau gesehen. Außer ihr war niemand unterwegs, und ich fand sie direkt unheimlich. Sie trug einen langen schwarzen Mantel und eine schwarze Kappe mit einem schwarzen Schleier. Dann war sie plötzlich verschwunden.
Ich muß gestehen, daß ich irgendwie erleichtert war.«
»Das hört sich nach einer seltsamen Person an«, pflichtete Tweed ihr bei. »Haben Sie das Interview bekommen, auf das Sie aus waren?«
»Nein.« Sie verdrehte in gespielter Verzweiflung die Augen zur Decke der Bar. »Aber man kann ja nicht immer gewinnen.«
»Sind Sie mit dem Zug gefahren?«
»Nein. Was gleichfalls ein Fehler war. Ich hatte hier einen Wagen gemietet und bin damit hingefahren. Die Rückfahrt auf der Autobahn war ein Alptraum. Ich hätte den Wagen in Salzburg zurückgeben und mit dem Zug fahren sollen. Ich dachte, wenn ich unter diesen Verhältnissen fahren kann, dann kann ich es überall und bei jedem Klima.« Sie wendete sich an Paula, um sie in die Unterhaltung einzubeziehen. »Fahren Sie gern?«
»Sehr gern sogar«, erklärte Paula, dankbar, daß Jill Notiz von ihr genommen hatte. Newman und Lisa waren vollauf mit sich selbst beschäftigt. »Tweed behauptet immer, ich führe zu schnell.
Damit könnte er recht haben.«
»Aber vielleicht auch nicht.« Jill drückte Tweeds Schulter.
»Finden Sie, daß sie unvorsichtig fährt?«
»Nein, niemals.«
»Dann lassen Sie sie auch weiterhin fahren. Ich wette, sie ist Ihnen eine große Hilfe. Paula macht auf mich den Eindruck einer ungeheuer tüchtigen Frau.«
»Das ist sie. Ich wüßte nicht, wie ich ohne sie auskommen sollte.«
»Und wohin ist Philip gegangen,– nachdem er mit Ihnen hereingekommen ist? Ich saß ziemlich weit hinten im Foyer, als Sie ankamen.«
»Philip ist hinaufgegangen, um ein Bad zu nehmen. Aber wenn man vom Teufel spricht – da kommt er gerade.«
»Ich fand, er sah ziemlich mitgenommen und verloren aus.« Jill stand auf, als Philip auf sie zukam, und zog von einem leeren Nebentisch einen Stuhl heran. »Setzen Sie sich zu uns, Philip. Sie sehen nach einem Glas Champagner aus.«
»Wenn das so ist, dann muß ich eine sehr merkwürdige Figur abgeben.«
Jill lachte, und Philip lächelte sie an, während er sich setzte.
Paula war verblüfft. Dies war das erstemal seit der Tragödie, daß sie hörte, wie Philip einen Scherz machte, und ihn auf diese Weise lächeln sah. Jill mußte eine starke Wirkung auf ihn haben.
»Die
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