Kalte Wut
zeitigen Frühstück hinuntergehen, als Paula eintraf. In einem blaßgrauen Kostüm mit Faltenrock machte sie einen taufrischen Eindruck. Im Ausschnitt ihrer weißen Bluse steckte ein Liberty–Tuch.
»Haben Sie überhaupt geschlafen?« fragte Tweed besorgt.
»Drei Stunden, und jetzt, nachdem ich geduscht habe, fühle ich mich prächtig. Bitte, seien Sie ehrlich – würden Sie jetzt lieber allein frühstücken, damit Sie nachdenken können?«
»Ich würde es lieber in Gesellschaft einer gutaussehenden Dame tun – und es sieht so aus, als hätte ich Glück gehabt. Alle anderen männlichen Wesen im Speisesaal werden mich beneiden.«
»Danke für die Blumen«, sagte sie und knickste anmutig.
»Haben Sie von Kuhlmann gehört?«
»Ja, er hat vor einer Weile angerufen. Wie ich vermutet hatte, hat Walvis eine dritte Nachricht abgeschickt, diesmal verschlüsselt. Das Problem ist nur, daß seine Experten Mühe haben, den Code zu knacken. Soviel zum Thema Experten. Aber davon werde ich mir den Appetit nicht verderben lassen …«
Sie waren aus dem Fahrstuhl ausgestiegen und durchquerten auf dem Weg zum Speisesaal das Foyer, als Paula sich plötzlich versteifte.
»Soviel zu unserem gemeinsamen Frühstück«, flüsterte sie.
»Sehen Sie mal, wer dort drüben aufgekreuzt ist.«
»Keine Notiz nehmen«, flüsterte Tweed zurück.
Sie hatten sich an einem Tisch an der Wand niedergelassen, als Jill Seiborne in einem beigefarbenen Kostüm hereinkam und vor ihrem Tisch stehenblieb. Keine dunklen Ringe unter den Augen, dachte Paula, sie hat Stehvermögen.
»Guten Morgen. Ich habe nicht vor, Ihnen das Frühstück zu verderben, indem ich Ihnen meine Gesellschaft aufdränge.«
»Ihre Gesellschaft ist uns willkommen«, sagte Tweed, stand auf und rückte einen Stuhl für sie zurecht. »Wir haben noch nicht einmal bestellt, also kommen Sie genau zur rechten Zeit. Haben Sie gut geschlafen? Sie müssen ziemlich spät ins Bett gekommen sein.«
»Das ist wirklich nett von Ihnen.« Sie sah Paula an. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber ich habe auf dieser Reise so oft allein essen müssen, daß ich es gründlich satt habe.«
»Wir freuen uns über Ihre Gesellschaft«, log Paula.
»Reizend von Ihnen, das zu sagen.«
Sie bestellten gerade ihr Frühstück, als Paula aufschaute, kurz die Lippen schürzte und unhörbar »Verdammt!« sagte. Lisa Trent näherte sich ihrem Vierertisch.
Sie legte die schlanken Hände wie zum Gebet zusammen und wendete sich an Tweed.
»Wären drei Frauen zu viel für einen Mann? Oder würden Sie sich dann hoffnungslos unterlegen fühlen?«
»Ich fühle mich nie unterlegen«, versicherte Tweed ihr und rückte den vierten Stuhl zurecht. »Und wenn Bob Newman auftaucht, wird er wütend sein und mir vermutlich vorwerfen, ich hätte sämtliche reizvollen Damen in München mit Beschlag belegt. Wollen Sie nicht bestellen, solange der Kellner hier ist?«
Lisa trug einen teuren Hosenanzug aus Leder mit einer grünen Bluse, die gut zu ihrem blonden Haar paßte. Die Bluse hatte einen Stehkragen und diesmal keinen enthüllenden V-Ausschnitt. Paula hatte bestellt und beobachtete die anderen beiden Frauen, während diese die Speisekarte studierten. Sitze ich mit Teardrop an einem Tisch? fragte sie sich.
Tweeds Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft verblüffte sie.
Dann fiel ihr seine Bemerkung wieder ein: Wenn man die Leute lange genug reden läßt, dann werden sie sich früher oder später verraten. Er hört nie auf zu arbeiten, dachte sie, auch wenn es eine Arbeit ist, für die die meisten Männer das letzte Hemd hergeben würden.
»Wann reisen Sie ab, Lisa?« fragte Tweed. »Hoffentlich nicht so bald.«
»Ich weiß es noch nicht. Ich erwarte einen wichtigen Anruf. Er kann heute kommen, aber möglicherweise auch erst morgen. Ich muß für meine Kunden praktisch Tag und Nacht verfügbar sein.
Manchmal frage ich mich, ob es der Mühe wert ist, aber dann denke ich an das Geld, das es mir einbringt.« Sie sah Jill an. »Sind Sie auch eine Sklavin des Geldes?«
»Wir brauchen alle Geld«, sagte Jill ernst. »Das Entscheidende ist, daß man seinen Erwerb nicht zur Hauptaufgabe des Lebens werden läßt. Das Problem besteht darin, daß wir ständig versuchen, mehr zu bekommen.«
Paula betrachtete ihre Frisur, die perfekt war. Sie trug ihr dunkles Haar immer noch wie einen Helm. Tweed schob seine leere Grapefruit beiseite, tupfte sich den Mund mit der Serviette ab, dann sah er Jill an.
»Und Sie wollen
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