Kalte Wut
und sie wühlte in ihrer Umhängetasche, bis sie eine kleine Broschüre gefunden hatte. Sie schwenkte sie triumphierend.
»War mir doch so, als hätte ich das Ding noch.«
»Welches Ding?«
»Einen Moment, zügeln Sie Ihre rastlose Seele.« Sie schlug eine Seite auf, fuhr mit den Fingern eine Kolonne aus sehr klein gedruckten Zahlen entlang. »Ich habe eine Neuigkeit für Sie.«
»Ich nehme an, wir erfahren sie, bevor es dunkel wird«, bemerkte Newman.
»Diese kleine Broschüre ist ein Gezeitenplan für Portsmouth und gibt außerdem die Zeit an, die man abziehen muß, um die Angaben für Bosham zu erhalten.« Sie schaute auf die Uhr. »Die nette Wirtin im Berkeley Arms, wo wir zu Mittag gegessen haben, hat mir diese Broschüre gegeben.« Sie schaute mit einem Lächeln auf. »In Bosham herrscht jetzt gerade Flut. Würde Walvis nicht Hochwasser brauchen, um in der Nähe von Cleaver Hall auf dem Wasser niedergehen zu können? Ich bin sicher, daß er das braucht …«
Das Wasserflugzeug, die
Seahorse VIII,
beschrieb über dem Bosham Channel eine glatte Kurve und setzte dann zur Landung an. Die Einheimischen rannten aus ihren Häusern, um zuzusehen, wie seine Schwimmer über das ruhige Wasser rauschten und dann an dem Bosham gegenüberliegenden Ufer zum Stehen kamen.
Ein Motorboot mit einem das Innere verbergenden Aufbau löste sich vom Ufer nahe Cleaver Hall, näherte sich dem Wasserflugzeug und stieß gegen einen seiner Schwimmer. Der Himmel war strahlend blau, die Temperatur lag bei null Grad.
Walvis schaute aus einem Fenster, dann wendete er sich an Gulliver und Martin.
»Wieder daheim. In England fühle ich mich immer am wohlsten. Und deshalb ist es äußerst erfreulich, daß wir Sturmflut von hier aus starten können, daß wir in Kürze dieses Land übernehmen und mit eiserner Faust regieren werden.«
»Bis dahin ist noch eine Menge zu tun«, warnte Gulliver.
»Seien Sie zuversichtlich, mein Freund.« Walvis war bester Laune. »Stellen Sie sich vor, wie Tweed in Kürze in den Marschen von Aldeburgh herumstapfen und meine Kommunikationsbasis suchen wird.«
»Zumindest brauchen wir uns keine Sorgen zu machen, daß er hier aufkreuzen könnte«, sagte Martin mit einem breiten Lächeln, sicher, das Richtige gesagt zu haben.
»Das Problem mit Ihnen, Martin«, wies Walvis ihn zurecht, »ist, daß Sie nicht weit genug denken. Ich nehme an, daß Sie recht haben – aber wir müssen vom Schlimmsten ausgehen. Gulliver, Ihre erste Aufgabe, sobald wir Cleaver Hall erreicht haben, besteht darin, die stärksten Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen – Landminen verlegen und so weiter. Gehen Sie vom exakten Gegenteil von Martins Ansicht aus – arbeiten Sie, als wären Sie überzeugt, daß Tweed und seine Legionen erscheinen werden …«
In einen schweren Lammfellmantel eingehüllt und mit einer Kapuze über dem Kopf manövrierte Walvis fünf Minuten später seinen massigen Körper die Metalltreppe vor der offenen Tür des Wasserflugzeugs hinunter. Er stieg vorsichtig in das Motorboot und ließ sich in den großen Sessel sinken, den man eigens für ihn an Bord gebracht hatte.
Am Anleger wartete eine Limousine mit getönten Scheiben, obwohl es ihn nur einen Drei-Minuten-Spaziergang gekostet hätte, über die Einfahrt die Haustür des Gebäudes zu erreichen.
Während der kurzen Fahrt warnte Gulliver, praktisch wie immer, seinen Boß.
»Das Wasserflugzeug muß schnell wieder starten. Sobald die Flut abgelaufen ist, ist die ganze Gegend hier ein einziger Morast.
Es kann in der Nähe von Chichester Harbour warten. Dort ist es in Sicherheit.«
»Hauptsache, es ist in erreichbarer Nähe.«
Ungeachtet all seines Selbstvertrauens achtete Walvis immer darauf, daß ihm ein Fluchtweg offenstand. Er verließ den Wagen, der sein Ziel erreicht hatte, und stieg die Stufen zu der langen Terrasse hinauf, die sich über die gesamte Vorderfront des großen Gebäudes erstreckte. Die hohe Doppeltür war von einem Wachmann mit einer automatischen Waffe geöffnet worden.
Walvis bestand darauf, daß seine Leute ihre Waffen Tag und Nacht schußbereit bei sich trugen.
»Wir müssen das Dach testen«, sagte er zu Gulliver.
Er eilte durch eine geräumige, mit Parkett ausgelegte Diele. Für seine Körpermasse bewegte er sich erstaunlich behende die breite, gewundene Treppe hinauf, bis er im obersten Stockwerk angekommen war und Gulliver und Martin schnaufend hinter ihm standen. Auf dem Treppenabsatz öffnete er eine in die Täfelung
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