Kalte Wut
ein Schnappmesser. Der größere Mann zuckte die Achseln und ging weiter, während Lucien nach wie vor grinste. Philip gab Hellmann den Feldstecher zurück.
»Danke. Jetzt werde ich ihn wiedererkennen.« Ihm war schlecht.
16
Am Morgen des Tages, an dem Philip nach Berg fuhr, war Tweed am Park Crescent gerade im Begriff, zusammen mit Paula das Büro zu verlassen, damit sie ihre Maschine nach München erreichten. Tweed hatte die Gewohnheit, viel Zeit für die Fahrt zum Flughafen einzukalkulieren – er haßte es, sich abhetzen zu müssen.
Newman war zusammen mit Nield und Marier schon eine Weile zuvor losgefahren. Sie wollten mit einer früheren Maschine fliegen. Es war Marier gewesen, der darauf gedrängt hatte, daß sie sich trennten – wodurch Monica gezwungen gewesen war, in aller Eile die Umbuchungen vorzunehmen.
»Wir müssen davon ausgehen«, hatte er erklärt, »daß Walvis am Münchener Flughafen Wachtposten stationiert hat. Zumal nach Newmans Begegnung mit Gulliver in Cleaver Hall und meiner kleinen Unterhaltung mit Mr. Winter. Sie haben bestimmt in München Bericht erstattet. Also sollten wir einzeln in Deutschland eintreffen …«
»Sie haben recht«, hatte Tweed ihm beigepflichtet. »Daran hätte ich selbst denken müssen. Machen Sie es so.«
Eine Weile zuvor hatte er einen Anruf von Butler erhalten, der die Nacht im Penta Hotel in Heathrow verbracht hatte.
»Ich bin in einer Telefonzelle am Flughafen. Leo Kahn ist im Begriff, mit Flug LH 4017 nach München zu fliegen. Ich nehme dieselbe Maschine. Muß jetzt los …«
Tweed stand bereits in einem Lammfellmantel und wollte gerade nach seinem Koffer greifen, als das Telefon läutete. Er richtete den Blick zur Decke, als Monica den Anruf entgegennahm. Sie legte die Hand auf die Sprechmuschel und sah Tweed an.
»Das wird Sie gar nicht freuen. Unten ist Besuch für Sie.
Chefinspektor Buchanan und sein getreuer Begleiter, Sergeant Warden. Buchanan hatte die Unverfrorenheit, George zu sagen, er wüßte, daß Sie hier sind – er hat Ihre Ankunft beobachtet.«
»Warten Sie eine Minute.« Tweed zog seinen Mantel aus und hängte ihn an einen Ständer, und Paula tat mit ihrem pelzgefütterten Trenchcoat dasselbe.
»Wir müssen ihn hereinlassen und es hinter uns bringen«, sagte Tweed verdrossen. »Und zwar so schnell wie möglich – und er darf nicht erfahren, daß wir im Begriff sind, nach Deutschland zu fliegen.«
Während er sprach, hatte Paula ihren Koffer und den von Tweed ergriffen und in einem Schrank versteckt. Sie versuchte, die Atmosphäre zu lockern. »Genau wie Jill Seiborne – Sie erinnern sich doch, wie sie ihren Koffer versteckt hat, bevor sie Newman in ihre Wohnung ließ? Und die wollte auch nach München …«!
»Sagen Sie George, er soll die beiden sofort heraufschicken«, wies Tweed Monica an. »Und bieten Sie ihnen keinen Kaffee an …«
Er blieb hinter seinem Schreibtisch sitzen, als die Tür aufging und Roy Buchanan, gefolgt von Warden, mit wie immer undurchdringlichem Gesicht das Büro betrat. Buchanan war in den Vierzigern, einsachtzig groß, schlank gebaut mit braunem Haar und einem ebensolchen Schnurrbart. Sein Verhalten war aggressiv.
»Höchste Zeit, daß ich Sie endlich erreiche.«
»Setzen Sie sich, beide«, befahl Tweed. »Ich habe Unmengen von Arbeit, also machen Sie es kurz. Sehr kurz.«
»Wirklich?« Buchanan ließ sich in einem Sessel nieder, streckte die langen Beine aus und schlug die Knöchel übereinander, als richtete er sich auf einen längeren Besuch ein.
»Ich untersuche einen Doppelmord, also wo haben Sie Philip Cardon versteckt?«
»Ich verstecke keine Leute«, fauchte Tweed. »Philips Frau ist unter grauenhaften Umständen gestorben, wie Sie zweifellos wissen. Verständlicherweise ist Philip von Kummer überwältigt und steht unter schwerem Schock. Ich habe ihm Urlaub gegeben, er könnte also überallhin gefahren sein.«
»Ich sagte, einen Doppelmord.« Buchanan richtete sich auf, und seine grauen Augen musterten Tweed. »Im Kellereingang seiner Wohnung haben wir die Leiche eines unbekannten Motorradfahrers entdeckt, mit einem Kopfschuß. Ich muß Sie darauf hinweisen, daß Philip Cardon mein Hauptverdächtiger ist.
Ich brauche ihn, damit er uns bei unseren Ermittlungen hilft. Sie notieren das alles, Warden?«
»Ja, Sir.«
Warden, in den Dreißigern und kräftig gebaut, trug einen nüchternen dunklen Anzug, im Gegensatz zu Buchanan, der einen hellgrauen Anzug anhatte. Er hatte ein Notizbuch auf
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