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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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dann schläft auch Mama für einige Minuten. Heute ist es finster, der Mond ist hinter Wolken, man sieht kaum, wo es hingeht. Nur den Wagen vor uns kann man erkennen und an ihm orientieren wir uns.
    Mama sitzt unentwegt an den Zügeln, ihr Gesicht ist gespannt, aber ihr Kopf schwankt hin und her, als würde er gleich herunterfallen. Irgendwann ruft sie Huppe.
    »Dietrich!«
    Huppe geht nach vorn.
    »Setz dich neben mich und pass auf: Lass deinen Blick nicht von meinen Augenlidern! Und wenn sie zufallen, dann stoß mich an, hörst du?«
    Und dann fügt sie noch wie für sich hinzu: »Mein Gott, wenn ich einschlafe, fallen wir allesamt in den Abgrund!«
    Sie zündet eine Laterne an und hängt sie an die Dachstreben, damit Huppe ihr Gesicht sehen kann, und Huppe passt wirklich auf: Keinen Moment wendet er seine Augen von Mamas Gesicht ab. Immer wieder muss er sie anstoßen. Eigentlich kann Mama nicht mehr, aber sie gibt nicht auf.
    Ich schlafe inzwischen, doch nach einer Weile ruft mich Huppe und sagt: »Mach weiter, ich kann nicht mehr! Es strengt so an!«
    Ich krieche aus der warmen Bettenburg nach vorn und übernehme seine Aufgabe. Angespannt gucke ich auf Mamas Augen. Ich habe Angst, dass wir in den Graben rutschen. »Lieber Gott«, bete ich, »lass uns auf der Straße bleiben!« Und immer wenn Mamas Lider sich schließen, stoße ich sie an. Aber auch ich lasse mich bald wieder von Huppe ablösen.
     
    Immer wieder diese Mischung aus Angst und Staunen! Manchmal ist diese nächtliche Fahrt wie ein Schauspiel. Der Schein der Geschützfeuer in der Ferne, Leuchtraketen, dann das Grollen der Abschüsse und Einschläge. Ich sitze wieder im warmen Federbett und zittere trotzdem. Schlotternd schaue ich mir das grausige Feuerwerk an.
    Neben der Straße brennt, von Granaten getroffen, ein Gehöft. Ich ziehe das Federbett, unter dem ich kauere, vor meine Augen, damit ich es nicht sehe. Aber es werden immer mehr, überall sieht man jetzt brennende Häuser, mal ganz nahe, mal weiter weg. Manchmal sehen wir sogar die Einschläge. Grell blitzt es auf im Dunkel, dann kommt der Knall.
    Als der Morgen dämmert, kracht es ganz in unserer Nähe. Mama reißt uns vom Wagen, über einen Graben, und bringt uns hinter einer Hauswand in Deckung. Sie selber hastet zurück.
    »Mama!«, rufe ich voller Angst. »Komm her!«
    So schnell sie kann, bindet sie die Pferde an einen Baum, dann wirft sie sich neben uns, während wieder ganz in der Nähe Geschosse einschlagen.
    Die anderen Fuhrwerke suchen ihr Heil in rasender Flucht.
    Es wird wieder ruhig, die Kanonen haben sich wohl ein anderes Ziel gesucht. Wir fahren weiter, aber nicht mehr lange: Mama kann nicht mehr und die Pferde auch nicht. Wir biegen in einen Waldweg ein und rasten.
    Während Mama die Pferde versorgt, toben wir Kinder uns aus, rennen herum und spielen Verstecken. Wir müssen uns nach der langen Fahrt einfach mal bewegen. Auf der Straße zieht der Treck vorüber.
     
    Wir haben schon so viel Donnern und Dröhnen gehört, sind von so viel Lärm umgeben, dass wir ziemlich abgestumpft sind. Aber irgendwann hören auch wir das dumpfe Grollen, zuerst kaum wahrnehmbar, dann aber unüberhörbar anschwellend. Es ist ein neues Geräusch, eines, das wir noch nicht kennen. Wie eine Katze sich duckt, wenn sie eine Gefahr spürt, die sie noch nicht kennt, so ducken wir uns hinter den Wagen und schauen angespannt zur Straße hin.
    Und plötzlich fahre ich zusammen! Ein ohrenbetäubendes Krachen, Bersten, Detonieren, dazwischen das Wiehern von Pferden, das Dröhnen schwerer Motoren und immer wieder Explosionen und Schreie. Menschen springen von den Wagen, die Augen weit geöffnet, rasen wie besessen in den Wald, lassen alles, was sie besitzen, hinter sich, rennen und rennen, laufen um ihr Leben.
    Unsere Pferde, festgebunden an einen Stamm, bäumen sich auf, wiehern angsterfüllt, und Mama hat alle Mühe, sie zu beherrschen.
    Und dann sehen wir sie kommen: russische Panzer! Sie haben sich den Weg gebahnt, indem sie sich die Straße freischossen. Was noch übrig ist, zermalmen sie unter ihren Ketten oder befördern es beiseite. Wir hocken hinter dem Wagen und müssen mit ansehen, wie von dem Treck, eben noch ein kilometerlanger Zug mit vielen tausend Menschen, auf einen Schlag nur noch Trümmer und Gerümpel übrig sind. Und können nichts tun, können niemandem helfen, sind selber hilflos. Auf der Straße sieht man keine Menschen mehr, nur die in den Graben geschobenen Wagen, umgestürzt, Kisten

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