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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Toporski
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erleichtert bin ich, dass sonst nichts passiert.
    Ein anderer Russe hat Wolfi auf dem Arm und tanzt mit ihm auf der Straße herum. Dann dürfen wir alle wieder auf den Wagen und ich werde ganz behutsam nach oben gereicht. Noch immer lachend, legen die Russen zwei Finger zum Gruß an den Mützenschirm, dann fahren sie mit ihrem Laster ab.
     
    Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll. »Die Russen sind grausam«, habe ich immer gehört und die Panzer haben ja auch den ganzen Treck niedergemacht. Aber diese drei hier waren nett! Was gilt denn nun?
    Es dauert nicht lange, bis es wieder »Stoj!« heißt. Wieder kommen sie auf den Wagen, aber diesmal ist es anders. Es geht ihnen nicht um Inspektion, nicht darum, ob wir vielleicht deutsche Soldaten bei uns verstecken, sie wollen Beute. Mamas Armbanduhr ist das Erste, was in ihren Besitz übergeht, dann die Kette, dann der Ehering.
    Es hat keinen Zweck, sich zu wehren, und Mama versucht es auch gar nicht erst. Als sie das Silber entdecken, begleiten sie den Fund mit einem jubelnden »hahaaa!«. Das Porzellan aber ist ihnen zu zerbrechlich und an Kleidung sind sie nicht interessiert.
    Von nun an reiht ein » Stoj « sich an das andere. Die Nächsten sind brutal. Grob stoßen sie Mama beiseite, durchwühlen den ganzen Wagen und kehren das Unterste zuoberst. Einer fasst mich am Handgelenk und zerrt mich aus dem Bett, dass es in meiner Schulter kracht. Huppe wird geschüttelt und immer wieder gefragt: »Uhren, Ketten – wo?« Bis Mama von sich aus den Schmuck aus seinem Versteck nimmt und ihn ihnen entgegenhält. Sie reißen ihn ihr aus den Händen und stoßen sie in den Wagen hinein. Dann drohen sie uns noch mit der Faust, ehe sie verschwinden.
    Wir haben Angst. Die Fahrt wird immer unsicherer. Taucht ein Militärfahrzeug auf, ziehen wir schon den Kopf ein. Aber nicht nur Fahrzeuge, auch Gruppen von Männern, die auf der Straße stehen, bedrohen uns. Nicht immer sind es Russen, manchmal auch Polen. Immer wieder werden wir angehalten, und ich schaue den Plünderern jedes Mal zuerst in die Augen, dann weiß ich gleich, was wir zu erwarten haben. Manche sind ganz freundlich, so wie die ersten Russen, sie lachen und scherzen mit uns Kindern. Beute nehmen sie auch, aber man muss wenigstens nicht so viel Angst haben. Bei denen mit finsteren Mienen aber weiß man nicht, ob sie einem nicht auch noch etwas antun.
    Immer wieder werden wir durchsucht, und ich habe das Gefühl, dass die Männer immer unfreundlicher, immer gröber werden, wahrscheinlich weil sie immer weniger finden. Die Letzten haben einiges von unsern Kleidern mitgenommen, vor allem warme Wintersachen, und von den drei Betten haben wir jetzt auch nur noch zwei. Und es ist kalt, eiskalt!
    Zu essen haben wir auch nicht mehr lange!
    Und jetzt haben sie uns auch noch die Pferde ausgespannt. Zwar haben wir dafür zwei andere bekommen, aber die sind alt und müde, wer weiß, wie lange sie durchhalten werden …
    Die Nacht verbringen wir wieder mit vielen anderen zusammen auf einem der Höfe. Im Haus sind Russen, und wir sitzen im Freien, die Decken um uns geschlungen und an einen Holzschuppen gelehnt. Männer gibt es hier nicht mehr, nur noch Frauen und Kinder. Manche der Frauen weinen. Immer wieder tauchen Russen auf und bedeuten den Frauen mitzukommen. Sie wollen nicht und wehren sich. Wenn sie wiederkommen, laufen ihnen die Tränen herab und sie wirken wie zerbrochen. Aus dem wenigen, was hier gesprochen wird, fische ich das Wort »Vergewaltigung«. Zwar weiß ich nicht genau, was das ist, aber es ist klar, dass es mit Frauen zu tun hat und schrecklich ist.
    Ich höre eine Frau zu Mama sagen: »Tun Sie doch eines Ihrer Kinder auf diese Seite, dass es so aussieht, als wäre es meines. Frauen mit Kindern tun sie nichts.«
    Und ich gehe auf die andere Seite. Mir ist egal, wo ich sitze, aber der Frau nützt es nichts. Als sie abgeholt wird, schlägt Mama die Hände vors Gesicht.
    Ich zittere und schmiege mich ganz eng an Mama. Ich merke, wie auch sie zittert. Immer wenn sich wieder ein Russe zeigt, zieht sie uns eng an sich und macht sich ganz klein, als ob wir dann weniger zu sehen wären.
    »Ich halt’s nicht mehr aus!«, höre ich sie sagen. »Ich halt’s nicht mehr aus!«
    Ich weiß nicht, ob ich selber weine, aber dass Mama weint, spüre ich ganz deutlich. Ich lege meine Arme um sie und drücke sie ganz fest. Aber sie reagiert gar nicht.
    Irgendwann höre ich. »Es hat alles keinen Sinn mehr. Jeder neue Tag

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