Kalteis
solls ab und zu gefragt haben, ob sie mit seinem Automobil mitfahren will. Der Mutter hat sie davon erzählt, hat mir ihre Tante, die Frau Huber, gesagt. Die Huber aus der Rehstraße, vielleicht kennen Sie sie.
Gehört hab ich auch schon, dass es ein Racheakt sein soll.
Es geht das Gerücht, dass sie schuld sein soll, dass welche von hier nach Dachau rausgekommen sind. Kommu nisten. Denunziert soll sie welche haben. Aber genau weiß man da nichts.
Ich will des auch gar nicht so genau wissen, da kann man leicht in was reinrutschen und am Ende ist man dann selber draußen in Dachau. Die werden schon Dreck am Stecken gehabt haben.
*
Theresa Pirzer habe es zuerst von ihrer Mutter gehört, wie diese vom Einkaufen nach Hause kam. »Die Schmidlechner Erna ist verschwunden. Seit Samstag ist sie nicht nach Hause gekommen. Überall suchen sie sie schon. Die Polizei sucht sogar mit Hunden nach ihr.« Nicht glauben konnte sie es, hatte sie doch die Erna in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag noch getroffen. Zur Mutter der Erna ist sie gelaufen.
Wissen wollte sie, ob das Gerücht stimme und ob die Erna wirklich nicht nach Hause gekommen sei. Danach erst ist sie zur Polizei gegangen.
Ja richtig, sie hatte die Erna am Samstag noch gesehen. Mit ihr in derselben Straßenbahn, der Linie 6, sei sie nach Hause gefahren, so gegen zehn nach eins in der Nacht ist es gewesen. Mit ihrem Mann war die Pirzer am Samstagabend in der Winzererbierhalle und wie sie in die Straßenbahn eingestiegen ist, da hat sie sie gesehen, die Erna.
Außer ihr, ihrem Mann und der Erna war nur noch ein weiterer Herr in der Straßenbahn nach Milbertshofen. Das wisse sie genau. Gekannt hat sie den allerdings nicht.
Sie haben sich zur Erna gesetzt und ein paar Worte gewechselt. Erzählt hats ihnen noch, dass sie in der Stadt bei ihrem Verlobten war. Beim Tanzen waren sie. Schön war’s.
An der Endhaltestelle, da sind dann alle ausgestiegen. Der Herr ist in die andere Richtung weggegangen, auch das wisse sie genau.
Gleich nach dem Aussteigen haben sie sich von der Erna verabschiedet. Sie und ihr Mann haben die Räder geholt. Damit sie den Nachhauseweg nicht zu Fuß machen müssen, hatten sie die Räder eingestellt. Auf Höhe des aufgelassenen Milbertshofener Friedhofs sind sie dann der Erna wieder begegnet. Sie sind an ihr vorbeigefahren. Genau zu dem Zeitpunkt, als sie die Erna überholten, genau auf gleicher Höhe, haben sie an einer Laterne ein Herrenfahrrad lehnen sehen. Zwei Männer sind etwas abseits gestanden. Komisch ist ihr das vorgekommen und deshalb hat sie sich umgedreht und gesehen, wie einer der zwei die Erna ansprach. Die Pirzer sah, dass die Erna ihren Kopf in Richtung der Männer drehte, aber weiterging, ohne sich um die zwei zu kümmern.
Die Männer dürften so an die 30 Jahre alt gewesen sein, ihrer Schätzung nach, aber festlegen will sie sich da nicht.
Bei den Süddeutschen Bremsenwerken, direkt da beim Limonadenkiosk, da habe sie sich dann noch einmal nach der Schmidlechner umgesehen. Sie sah die Erna, wie diese alleine in Richtung der elterlichen Wohnung ging. Von den beiden Männern war nichts mehr zu sehen. Kurz danach ist ihr noch eine Familie aus der Nachbarschaft begegnet, die waren mit dem Kinderwagen auf dem Nachhauseweg.
Sie ist heute, nachdem sie mit der Mutter der Erna gesprochen hatte und ehe sie auf der Polizeistation zur Aussage erschien, eigens noch bei eben dieser Familie vorbeigefahren. Auch die haben ihr bestätigt, ein Mädchen mit einem roten Kleid gesehen zu haben. Und zwar alleine und ohne Begleitung. Ein kurzes Stück vor dem Kiosk sei es gewesen. Da sind sie sich sicher. Auch nach den Männern habe sie sie gefragt. Aber von den Männern haben sie nichts gewusst.
Sollte der Erna etwas geschehen sein, könne dies nur auf Höhe der Schutt- und Kiesgrube, gleich hinter dem Bremsenwerk, passiert sein, da ist sie sich sicher. Ist doch der ganze Weg durch die Straßenlaternen hell erleuchtet und sie kann sich nicht vorstellen, dass jemand, auch nicht diese beiden Männer, es wagen würden, im hellen Lichte jemanden zu überfallen.
*
Dagestanden ist er auf einmal vor ihr, der Kerl. Breitbeinig hat er sich vor ihr aufgebaut. Die Sportmütze ins Gesicht gezogen und dieses unverschämte Grinsen. Noch breiter war es geworden. Vorhin, vor nicht einmal fünf Minuten, hatte dieser Kerl sie schon angesprochen. Auch da hat er gegrinst. Neben diesem anderen ist er gestanden. Von dem war jetzt nichts mehr zu sehen.
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