Kalter Amok
Fieber haben, Kopfschmerzen bekommen und Erkältungssymptome zeigen, mitten im Sommer? Ich will gar nicht daran denken.«
Bob Dystal drückte seine Zigarette in einem Glasaschenbecher mit den Umrissen des Staates Texas aus, auf dessen Boden verfärbte Klapperschlangen zu sehen waren. Er stemmte beide Ellbogen auf die Schreibtischplatte, nahm die Füße von der Schublade und stieß sie zu. Dann ging er rasch einen Computerausdruck durch, der zwischen den beiden gelegen hatte.
»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte er.
»Es gibt immer die Möglichkeit, daß da ein Psychopath am Werk ist. Wenn noch ein Mädchen in dieser Art und Weise gefunden wird, rechne ich sogar bestimmt damit.«
Dystal schaute Haydon an, ohne zu sprechen, sein bekanntes, katatonisches Starren, das die meisten Menschen unangenehm berührte. Der große Mann hielt einen mit Blicken fest, und während man selbst den Blicken zu entkommen versuchte, schaltete er auf ein ganz anderes Thema um. Wie bei vielen Menschen mit hoher Intelligenz waren solche Idiosynkrasien ein natürlicher Teil von Dystals komplizierter Tarnung. Sein alltäglicher Anzug und seine entsprechenden Manieren waren auf unschuldige Weise trügerisch, denn Dystals Erkenntnisse und Einsichten bei den Vorgängen im Gehirn krimineller Naturen stellten seine Ausbildung auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Verhaltensweisen weit in den Schatten.
»Nun, Stu«, sagte er gedehnt und schob Haydons Bericht über den Schreibtisch auf ihn zu, »sieht so aus, als hätten Sie sich da eine Arbeit angelacht, die geradezu für Sie geschaffen ist.«
14
Peter Walther war größer, als Haydon angenommen hatte. Der junge Streifenbeamte saß unbequem auf dem Holzstuhl und hatte den Schlagstock und den 38er Dienstrevolver nach vorn geschoben, damit er sich anlehnen konnte. Seine rechte Wange war verpflastert; die Schwellung war bisher nicht zurückgegangen.
»Ich bin Ihnen dankbar dafür, daß Sie so schnell hergekommen sind«, sagte Haydon. »Und ich möchte mich dafür entschuldigen, daß ich Sie zu Hause angerufen habe, aber ich dachte, Sie kommen gar nicht zum Dienst.« Dazu warf er einen Blick auf Walthers verpflastertes Gesicht.
»Ich wäre auf alle Fälle gekommen«, sagte Walther.
»Gut. Ihr Bericht war ordentlich geschrieben und ungewöhnlich ausführlich in den Details, aber ich möchte dennoch ein paar zusätzliche Punkte mit Ihnen besprechen. Detective Hirsch und ich untersuchen eine möglicherweise miteinander in Verbindung stehende Serie von Todesfällen. Die Opfer – es handelt sich bisher um drei – sind alle Callgirls. Jede von ihnen ist nach einer mehrtägigen Krankheit gestorben. Die Symptome der Krankheit entsprachen weitgehend denen einer Bronchialerkältung. Vielleicht paßt auch Ihr Mädchen in dieses Schema. Wir können uns freilich nicht vorstellen, wie; wir tappen in der ganzen Sache noch ziemlich im dunkeln. Okay?«
Walther nickte.
»Wie gesagt, Ihr Bericht war sehr sorgfältig. Ich bin sicher, ich kenne alle Fakten, die Sie mir geben können. Was ich noch genauer erfahren möchte, ist Ihr persönlicher Eindruck von dem, was da passiert sein könnte. Teilen Sie mir Ihre diesbezüglichen Gefühle mit, also Dinge, die Ihnen nicht konkret genug erschienen, als daß Sie sie in Ihrem Bericht erwähnt hätten. Ich möchte Ihre gefühlsmäßige Reaktion auf das erfahren, was geschehen ist, Ihre Ansicht über das Mädchen, wie sie sich verhielt, wie die ganze Sache abgelaufen ist. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ich glaube, ja.«
»Gut. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich unser Gespräch auf Band aufnehme? Ich mache das nur zu meiner Bequemlichkeit – sonst wäre ich gezwungen, mir Notizen zu machen.«
»Nichts dagegen.«
Haydon drückte die Knöpfe des Kassettenrekorders, der neben seinem rechten Ellbogen auf dem Schreibtisch lag.
»Haben Sie einen Autopsiebericht über die Frau?« fragte Walther.
»Nein. Ich habe erst heute früh von ihr gehört. Aber ich habe darum gebeten, und ich nehme an, er wird in Kürze hier sein.«
Walther überlegte einen Augenblick. »Wir haben in unserem Bericht geschrieben, daß wir annehmen, das Mädchen hätte eine ungünstige Reaktion auf irgendein Rauschgift gezeigt. Möglicherweise LSD oder Angel Dust. Aber ich selbst habe nie jemanden erlebt, der unter dem Einfluß von Drogen durchdreht. Sicher, ich habe auf der Akademie darüber gelesen, und wir haben einen Lehrfilm gesehen.«
»Ich verstehe. Aber ihre Reaktionen entsprachen
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