Kalter Hauch (Ladykrimi) (German Edition)
riesigen Haus! Gut, es waren Dienstboten da. Miriam hatte wohl recht, es würde mir an nichts fehlen.
»Wir wollten es dir schon gestern Abend sagen. Aber du hast dich so früh zurückgezogen, und es stand auch noch nicht fest, ob wir tatsächlich fahren würden. Miss Baxter, das neue Kindermädchen, wird sich um Anne und Ben kümmern. Aber es wäre mir sehr lieb, wenn du das - nun ja - ein bisschen überwachen könntest.«
Es blieb mir ja gar nichts anderes übrig, als zuzusagen, wenngleich mich ein komisches Gefühl beschlich. Ich hatte keine Ahnung, warum das so war.
»Ich hoffe, wir überfordern dich nicht, Kate?«, fragte Ken beim Frühstücken. »Früher, als Peggy noch ...«
Er brach ab, denn Miriam drehte ihr Gesicht weg.
»Entschuldigung«, sagte er. »ich wollte dich nicht verletzen.«
»Du hast mich nicht verletzt«, erwiderte Miriam stählern. »Aber immer wieder Peggy und nochmals Peggy. Sollten wir sie nicht endlich ruhen lassen?«
Ihre Stimme war beängstigend schrill geworden.
»Peggy ist tot, und sie wird tot bleiben. Versteht ihr das nicht?«
Ich erschrak über diesen Gefühlsausbruch, stieß gegen meine Tasse und verschüttete den Kaffee.
»Oh ...«, stammelte ich. »Es - es tut mir leid.«
»Das kleine Malheur ist doch nicht der Rede wert«, meinte Miriam freundlich. Sie war plötzlich wie immer und wirkte sogar gelöst. Mir war, als hätte eine andere Persönlichkeit vor mir gestanden. Es war grotesk.
Kendal stand am Fenster und starrte in den Park hinaus. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und wippte auf den Zehenspitzen. Mir schien dies ein Zeichen von Nervosität und Anspannung zu sein.
»Wir fahren dann heute Nachmittag«, sagte er knapp, nachdem er sich umgedreht hatte, »du solltest packen, Miriam.«
»O ja, natürlich, mein Lieber«, versicherte sie. Als sie mit ihren Lippen im Vorübergehen seine Wange streifen wollte, wich er ihr deutlich aus, und ich hatte mit einem Male alle Zweifel, ob diese Ehe glücklich war.
Gegen vier Uhr reisten sie ab. Miriam plapperte wie ein Kind, während Kendal schweigend vor sich hin starrte, so, als würde er über etwas grübeln müssen.
Ich war erleichtert, nachdem der Wagen unten zwischen den Alleebäumen verschwunden und der Motorenklang erstorben war. Einsamkeit umfing mich plötzlich.
Dienstboten waren keine zu sehen. Sie hielten sich im Seitentrakt auf und erschienen nur dann, wenn man sie rief. Ich hatte keinen Grund, jemanden zu rufen. Es wäre mir zu blödsinnig erschienen, zu läuten und dann keinen Wunsch zu haben, außer ein bisschen zu plaudern. Das war auch gar nicht schicklich in diesen Kreisen, wie ich mittlerweile gelernt hatte. Man pflegte mit Dienstboten keinen Umgang.
Ich war meistens in meinem ererbten Häuschen, allein. Doch allein zu sein, ist etwas anderes, als sich einsam zu fühlen. Einsamkeit kann wie ein Eisblock sein, der einen umfangen hält oder auch wie eine Glut, der man nicht entrissen kann. Einsamkeit ist manchmal so, als sei man ständig auf der Flucht vor irgendetwas. Unruhe und Verzweiflung mischen sich unter die Gedanken, die bisweilen drastische Formen annehmen können. So jedenfalls erging es mir in diesen Stunden.
Wie ein ausgesetztes Hündchen durchwanderte ich das Schloss, betrachtete dies und jenes und alle doch nur mit halbem Bewusstsein. Mir war, als würde ich in einem Buch lesen und gar nicht wissen, was überhaupt darin stand. Es schwebte alles inhaltlos an mir vorbei. Und jedes Geräusch erschreckte mich.
Oh, dieses alle Schloss war voller Geräusche. Ob diese nun aus den Mauern oder aus den Fußböden kamen war ganz egal. Allesamt waren sie geheimnisvoll und irgendwie auf jede Art schrecklich. Ich kam mir ziemlich überflüssig vor und fragte mich, wozu ich überhaupt geblieben war? Die Kinder bekam ich gar nicht zu Gesicht. Sie befanden sich in Obhut von Miss Baxter. Meine Anwesenheit war eigentlich gar nicht nötig.
Der Gedanke, einfach abzureisen, schoss mir plötzlich durch den Kopf. Ich überlegte kurz. Nein, das wäre von mir sehr unhöflich gewesen, so einfach, ohne ein Wort zu verschwinden. Ich fühlte mich jedoch einfach nicht wohl in meiner Haut. Das Empfinden einer gewissen Bedrohung wurde ich einfach nicht los. Natürlich konnte ich mich täuschen.
Die Dämmerung brach herein. Das dichte Buschwerk im Park sah aus wie dunkle geduckte Tiere. Vom leichten Abendwind gefächelt, schienen sie sogar zu kriechen. Natürlich war das nicht ungewöhnlich; es war
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