Kalter Hauch (Ladykrimi) (German Edition)
Keine sehr gastliche Gegend also.
Dennoch machte das große weiße Haus einen recht idyllischen Eindruck auf mich. Es besaß beinahe einen schlossartigen Charakter und schien in viktorianischer Zeit erbaut worden zu sein.
Still, fast wie unbewohnt, lag es da im Sonnenschein. Auf dem Moorsee kräuselten sich Wellen, die das Licht grell reflektierten. Das Haus war von einem Park umgeben. Eine Mauer gab es nicht. Nun ja, es sollten ja dort auch keine gefährlichen Menschen verwahrt sein.
Dann entdeckte ich etwas, das mir einen ungeheuren Schock versetzte. Auf dem Parkplatz stand das Auto von - Miriam Landsbury! Ich dachte, sie wäre nach Shanton zum Einkaufen gefahren. Das aber war offensichtlich nicht der Fall.
Rasch lenkte ich meinen Wagen auf die andere Seite des Parkplatzes. Von der Stelle, an der Miriams Wagen parkte, war er jetzt nicht mehr zu sehen. Wie gelähmt saß ich am Steuer. Der Gedanke, ihr möglicherweise zu begegnen, erschreckte mich, denn ich fühlte mich hautnah am Geheimnis. Ich fühlte, ich war auf der richtigen Spur. Und dann sah ich sie. Es war tatsächlich Miriam. Sie trat aus dem Haus. Neben ihr stand eine Frau im dunklen Kleid. Sie trug eine weiße Haube. Ich kniff angestrengt die Augen zusammen, um das Gesicht besser erkennen zu können.
O doch! Das war die Frau aus der Gruft!
Zwar hatte sie damals einen Schleier getragen. Doch ihr Gesicht mit den scharfen Falten auf Kinn und Wange hatte ich noch deutlich in Erinnerung.
Miriam und diese Frau sprachen miteinander. Sie sprachen wie Verschwörerinnen, sähen sich ständig um. Lange dauerte diese Unterhaltung nicht. Dann ging Miriam zu ihrem Wagen.
»Wir haben uns also verstanden, Colliman!«, hörte ich Miriam laut und deutlich hinauf zur Treppe rufen. Ich sah die Frau nicken und Miriam wegfahren.
Ich wagte mich aus meinem Versteck und ging schnurstracks auf das Haus zu. Die Frau, die eben zurück ins Haus gehen wollte, blieb stehen und sah mir entgegen.
»Sie wünschen?«, fragte sie. Ja, es war dieselbe Stimme.
Momente lang wusste ich keine Antwort zu geben.
»Ich — ich suche eine Bekannte«, stammelte ich. »Und ich vermute, sie ist hier untergebracht.«
Ich fühlte einen scharfen, raubvogelartigen Blick. Und im selben Augenblick wurde mir klar, dass ich einen Fehler begangen hatte. Diese Frau war mir schon einmal begegnet, und ich hegte jetzt keinen Zweifel mehr, dass sie mich wiedererkannt hatte.
»Ich bedauere sehr«, schnarrte ihre Stimme. »Suchaufträge müssen Sie schriftlich stellen. Ich kann und darf Ihnen keine Patientendaten nennen.«
»Auch nicht die von Peggy Lancester?«, fragte ich und bereute sofort mein vorlautes Herausplatzen. Ich sah, wie die Frau erbleichte. Ihre Miene versteinerte sich noch mehr.
»Gehen Sie!«, stieß sie mühsam beherrscht hervor. Sie ging nicht auf mich ein. Ich ahnte, ich hatte einen schlimmen Fehler gemacht. »Sonst müsste ich Sie entfernen lassen.«
»Hier stimmt doch etwas nicht!«, rief ich, angestachelt von meinen bisherigen Erkenntnissen und von meiner Neugier, die wahrhaft halsbrecherisch war.
»Bob!«, rief die Frau mit schriller Stimme. Augenblicke später stand ein weißgekleideter bulliger Mann vor mir. Unzweifelhaft war es jener, der Miriam an jenem Abend in Peggys Zimmer gestoßen hatte. »Bob erklären Sie der Lady, dass sie zu gehen hat!«
»Gut – gut!«, rief ich und hob abwehrend meine Hände hoch. Dabei trat ich Schritt für Schritt zurück. »Ich gehe ja schon.«
»Und noch eines, junge Lady«, sagte diese Mrs. Colliman mit beißender Schärfe. »Mischen Sie sich nicht in Dinge, die Sie nichts angehen. Das kann gefährlich werden.«
»Sie drohen mir?«
»Bob«, sagte die Frau. Da wusste ich, dass es höchste Zeit war, mich zurückzuziehen. Ich ging zu meinem Wagen, startete den Motor und jagte mit hoher Geschwindigkeit aus dieser Gefahrenzone. Meine Stoßdämpfer waren mir völlig egal geworden.
Irgendwie stieß ich dann auf die Abzweigung, die zum Gasthaus von Nelly führte. Ich beschloss, den Weg dorthin einzuschlagen. Erst einmal wollte ich einen Drink nehmen und meine Gedanken ordnen.
Nelly war hocherfreut, mich zu sehen.
»Heute allein?«, fragte sie. »Ich habe noch Lamm.«
»Momentan nicht«, blockte ich ab. »Ich habe nur Durst. Und - haben Sie Telefon?«
»Habe ich. Falls es funktioniert. Wissen Sie, in dieser Gegend funktioniert vieles manchmal nicht. Äh, bäh!« Sie zuckte die Schultern, ging und brachte mir bald darauf eine köstliche,
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