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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Finalisten auf nationaler Ebene. Doch sie kam von dem Thema nicht los und machte sich an eine zweite Fotoserie heran. Diesmal hatte sie sich selber als Obdachlose verkleidet und war eines Tages losgezogen, um unter ihnen zu leben. Andere Journalisten hatten verschiedentlich dasselbe getan, doch Catherine bewegte sich gerade auf den Höhepunkt einer manischen Phase zu und rastete völlig aus, als sie gerade in der Nähe von Casa Loma unter einer Brücke hauste. Nie würde Cardinal vergessen, wie er sie in der Notaufnahme des Toronto Western Hospital vor sich gesehen hatte. Seine Catherine, gewöhnlich sehr auf ein gepflegtes Äußeres bedacht und strahlend schön, saß jetzt mit dreckstarrendem Haar, mit Trauerrändern unter den Fingernägeln und einer hässlichen Abschürfung an der Stirn vor ihm.
    In den Jahren danach war es Catherine besser gegangen.Manchmal schaffte sie es zwei Jahre ohne einen Krankenhausaufenthalt. Ihre manischen Phasen waren viel kürzer und ihre depressiven Phasen auch. Dafür waren sie schwerer – düstere, drückende Wochen, in denen sie kaum sprach oder sich auch nur rührte.
    Das waren die Zeiten, vor denen es Cardinal am meisten graute. Falls sie sich je das Leben nähme, dann nicht in den manischen Phasen – es sei denn, aus Versehen –, sondern als letzter Ausweg aus einer erstickenden Hölle.
    Cardinal fuhr am Sundial Hotel zu seiner Linken vorbei. Von hier aus war es nicht mehr weit. Als er die Fahrbahn wechselte, um einen Sattelschlepper zu überholen, konnte er den Gedanken nicht loswerden, dass Catherines letzter Krankenhausaufenthalt nunmehr fast exakt zwei Jahre her war.
     
    Selbst gegen Mitternacht herrschte rund um Toronto noch hektischer Verkehr. Die 401 bildete eine Art Asteroidengürtel oberhalb der Stadt. Cardinal nahm die Ausfahrt Allen Road, und als er gerade in südlicher Richtung auf die Bathurst eingebogen war, klingelte sein Handy. Mach, dass es Catherine ist. Mach, dass dieses schreckliche, allzu vertraute Drama ein Ende hat. Lass sie anrufen, um zu sagen, dass alles in Ordnung ist, dass sie morgen planmäßig nach Hause kommt.
    Es war Christine Nadeau.
    »Ich fühl mich nicht wohl bei der Sache«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Ich fühl mich wie eine Spionin.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich komme gerade aus der U-Bahn. University Line. Catherine ist vor etwa einer Stunde ins Hotel zurückgekehrt. Ich hatte gehofft, sie würde bleiben und Sie könnten sie dort abholen, aber leider …«
    »Wo sind Sie jetzt? Welche Station?«
    »Queen’s Park. Ich weiß nicht, wie die Straße hier heißt.«
    »College Street. Was macht sie?«
    »Sie hat zwei Kameras dabei, je eine links und rechts über die Schulter gehängt, und sie läuft wirklich schnell. Ich weiß nicht, ob ich da mithalten kann.« Cardinal hörte durchs Handy, wie sie schnaufte und keuchte.
    »Bleiben Sie dran. Ich bin jetzt südlich der Eglington, und der Verkehr ist nicht allzu schlimm. Müsste in zehn Minuten bei Ihnen sein. Fünfzehn höchstens. Können Sie dranbleiben?«
    »Ich versuch’s. Wissen Sie, im Moment macht sie nichts Auffälliges.«
    »Verstehe. Und ich hoffe, mit ihr ist alles okay. Bin gleich da.«
    »Ach du liebe Güte.«
    »Was? Was ist los?«
    Reifen quietschten durchs Telefon.
    »Oh mein Gott.«
    »Sie ist gerade einfach in den Verkehr gelaufen, direkt vor diesem Geländewagen auf die Straße marschiert. Gott sei Dank ist der Kerl noch rechtzeitig ausgewichen. Catherine ist nicht mal langsamer gegangen. Ich glaube, sie hat ihn gar nicht gesehen.«
    »Bleiben Sie dran, bin gleich da.«
    Auf der Bathurst war wenig Verkehr. Cardinal überquerte die St. Clair und dann die Dupont ohne Probleme.
    Wieder klingelte das Handy.
    »Sie ist auf irgend so eine Baustelle gelaufen. Keine Ahnung, wie sie das angestellt hat. Sie war ein bisschen schneller als ich, und es ist rundum mit Bauzäunen abgesperrt. Ich denke, sie hat sich irgendwo zwischen zwei von den Dingern durchgezwängt.«
    »Sie können nicht hinterher?«
    »Ehm, nein. Ich bin nicht sicher, wo sie …«
    »Wo genau sind Sie jetzt?«
    »Ehm, Ecke Queen und University Street.«
    »Zwei Minuten.«
    Cardinal warf das Handy beiseite. Er nahm die Harbord rüber zum Queen’s Park Crescent. Er überquerte die College und war auf der University. An der Dundas Street war die Ampel auf Rot, als Nächstes hatte er die Ecke Queen erreicht.
    Er entdeckte Christine Nadeau – eine große Frau in einem langen Regenmantel – an der

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