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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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allgegenwärtigen Schuldgefühle, der ständige Begleiter des Süchtigen, ob seine Droge nun Heroin, Alkohol, Sex oder Schokolade ist. Dann die ständige Angst, erwischt zu werden – beim Nehmen der Droge, beim Kaufen, Verkaufen, Stehlen, Lügen, bei Verrat. Die Angst vor Verhaftung war eine solche Konstante, dass es dagegen kein Mittel gab außer dem nächsten Schuss. Und beim Dealen hatte man Angst vor den Rivalen, die handgreiflich Anstoß daran nehmen mochten, dass man in ihrem Revier mitmischte. Kevin hatte sich beinahe in die Hosen gepinkelt, als ein einstiger Hells Angel ihm gedroht hatte, ihn kaltzumachen. Aber das war nichts gewesen im Vergleich zu der schwarzen Droge panischer Angst, die ihm jetzt durch die Adern strömte.
    Er erwachte aus der Ohnmacht und fand sich zusammengerollt auf einem rauen Bretterboden wieder. Es gab nur sehr wenig Licht, doch der Geruch sagte ihm augenblicklich, in welcher Hütte er sich befand; es drehte ihm den Magen um – kaum war er bei Bewusstsein, musste er sich davon übergeben. Ihm pochte der Schädel, und er wusste, dass seine Kopfhaut geplatzt sein musste, denn sein Gesicht war blutverklebt.
    Seine Hände waren ihm auf dem Rücken zusammengebunden, ebenso die Füße gefesselt. Er versuchte auf die Knie zu kommen und fiel vor Schmerzen vornüber. Das musste die Wunde von der Mistgabel in seiner Seite sein. Die hatte ihnvermutlich auch auf dem Kopf getroffen. Er rollte sich wieder auf dem Boden ein und wartete, dass das Pochen der Wunde nachließ.
    Nach einer Weile ging der Schmerz tatsächlich ein wenig zurück, doch was unvermindert blieb, war der bestialische Gestank in dieser Hütte. Wie eine dicke Suppe umgab er Kevin, wie ein dreckverschmierter Finger steckte er ihm im Hals und wackelte, wenn Kevin sich bewegte, um eine neue Welle der Übelkeit auszulösen. Es war, als bestünde die Luft aus Erbrochenem.
    Als es ihm irgendwann gelang, auf die Beine zu kommen, schwankte und drehte sich die Hütte unter ihm, so dass er wieder vornüberfiel und hart auf den Boden schlug. Erst nach vielen Versuchen stand er mehr oder weniger aufrecht, an einen Tisch hinter sich gestützt. Das einzige Licht im Raum drang durch die Ritzen zwischen den Planken der Wände und unter seinen Füßen.
    Ein riesiger Eisenkessel, groß genug, um hundert Liter zu fassen, stand auf dem Tisch. Darüber surrten fette Fliegen. Stöcke von fast einem Meter Länge ragten aus der Öffnung und lehnten in allen möglichen Winkeln am Kesselrand. Ein einziger Schritt auf den Behälter zu bestätigte, dass der Gestank daraus kam. Nichts hätte Kevin dazu bringen können, hineinzusehen.
    Er fragte sich, wie lange er schon bewusstlos gewesen war. Er hatte keinen Hunger, doch das hatte nichts zu sagen – der Gestank sorgte schon dafür. Außerdem gehörte Appetitverlust zu den ersten Erscheinungen des Heroinentzugs. Eine andere war Gänsehaut. Die hatte er auch; er fühlte, wie sie seine Arme, seine Brust überzog. Bald würde ihn der Totalentzug mit ganzer Härte treffen.
    Er drehte sich zu einem langen Tisch um, auf dem allerlei Krempel lag, in der Hoffnung, irgendwelche Werkzeuge zufinden, mit denen er seine Handfesseln lösen konnte. Dreckige Zeitungen waren über die ganze Fläche ausgebreitet, mit braunen Flecken, die dem Geruch nach einmal Blut gewesen sein mussten. Er flehte zu Gott, dass es kein Menschenblut war. Er drehte sich wieder in die andere Richtung und presste die Kinnbacken gegen die erneuten Wogen der Übelkeit zusammen, die in ihm wüteten. Dann riss er mit seinen auf den Rücken gebundenen Händen die Zeitungen vom Tisch. Bitte, Gott, lass ein Messer, eine Schere oder eine Nagelfeile darunter liegen, irgendwas, das mir hilft, schleunigst hier rauszukommen. Doch als er sich wieder umdrehte, war dort rein gar nichts.

44
     
    D ie rosa Muscheln sammelten sich in einem winzigen Haufen auf einer Seite. Die grünblauen verstreuten sich über die Konsole zwischen Schalthebel und Becherhalter. In der Mitte formten drei weiße Muscheln gleichmäßig verteilt einen winzigen Gürtel des Orion.
    Alan Clegg hatte sich psychisch für dieses Treffen mit Red Bear aufgebaut und sich auf der Fahrt zum Shanley-Aussichtspunkt raus immer wieder eingeschärft, dass es keinen Grund zur Panik gab, dass er seine Nerven unter Kontrolle hatte. Er hatte Red Bear sogar darum gebeten, ihm aus den Muscheln zu lesen, doch jetzt hatte er Schiss. Allein schon aufgrund der Tatsache, dass er Red Bear in seinem Chevy Blazer

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