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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Jugenddelikte, 51. Division. Die können dir mehr dazu sagen. Sie haben ihn nie wegen größerer Vergehen festnageln können, aber frag die mal, wen sie im Fall Molly Davis in Verdacht hatten – ein junges Mädchen, das aus dem Haus, in dem er wohnte, spurlos verschwand. Und frag sie, wen sie im Fall, Moment mal, lass mich nachsehen, Richard Lee in Verdacht haben – Achtundzwanzigjähriger, der eines Nachts in Allen Gardens seinen Hund ausführt.
    Kurz gesagt, ich selber hatte mit Raymond Beltran nicht allzu viel zu tun. Er war unter dem Jugendfürsorgegesetz sogut wie außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs, und ich war mit Fällen hoffnungslos eingedeckt. Nur einmal konnte ich ihn wenigstens in ein Ferienlager bekommen – da war er das erste Mal im Leben außerhalb der Großstadt, und er war begeistert. Aber ich sag dir ehrlich, von dem einen Fall abgesehen, hatte ich jedes Mal, wenn ich mit ihm zu tun bekam, höllische Angst. Unheimliche Augen, der Kerl. Er konnte ganz charmant sein, wenn er wollte, aber es war so offensichtlich gespielt, dass man nur den Wunsch hatte, wegzukommen.
    Unterm Strich, Lise, Raymond Beltran gehört zu den Mutanten in der Natur. Solltest du je nah genug an ihn rankommen, um ihn zu vernehmen, tu’s nicht allein.«
    Ein paar weitere Telefonate, ein paar weitere Faxe, ein Haufen E-Mails dazu. Als Delorme ihren Einfallsreichtum fast erschöpft hatte, ging sie in die Kantine und brühte sich eine frische Kanne Kaffee auf. Sie fand Cardinal im Sitzungssaal, wo er die Ergebnisse seiner eigenen Ermittlungen ausgebreitet hatte. Er brütete über den Blättern wie Napoleon über seinen Karten, doch selbst jetzt, in dieser Phase der Jagd, ließ er die Schultern hängen.
    »Dachte, du kannst einen vertragen«, sagte Delorme und reichte ihm einen koffeinfreien Kaffee.
    Cardinal drehte sich um, und für den Bruchteil einer Sekunde las sie den Kummer in seinen Augen, bevor er ihn wie gewohnt in irgendeinen hinteren Winkel, wer weiß wohin, verdrängte.
    Delorme fasste zusammen, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Cardinal hörte aufmerksam zu, während er in den Kaffee starrte und langsam rührte.
    Als sie geendet hatte, sagte er: »Ich hab eine Zeitleiste ausgearbeitet. April 1999: Die Kripo Toronto steht bei ihm in der Wohnung auf der Matte, um über einen Fall von Freiheitsberaubungzu diskutieren, der ein fünfzehnjähriges Mädchen betrifft. Außer Landes, sagt seine Mama.«
    »Lass mich raten«, sagte Delorme. »Kuba.«
    »Heiß. Miami. Offenbar hat Mama dort Verwandte. Jeden-falls lebt er die nächsten drei Jahre in Miami und kommt im August 2003 zurück, wird wegen unerlaubten Waffenbesitzes geschnappt, bis heute nicht abgebüßt, nebenbei. Die Kollegen in Toronto glauben, er hat sich ›irgendwo nach Norden‹ abgesetzt, was heißen könnte, hierher oder auch wer weiß wohin. Aber ich hab eben erst mit Miami telefoniert.«
    Delorme stellte ihre Kaffeetasse ab. »Und was sagt Miami?«
    »Wie’s aussieht, haben die eine ganze Reihe ungelöster Fälle: fehlende Köpfe, Extremitäten, die bei lebendigem Leibe abgetrennt wurden, Palo-Mayombe-Zeichen in der Nähe. Die kubanische Gemeinde da unten war völlig aufgelöst. Sie nennen den Killer El Brujo, was, wie ich vermute, der Hexer heißt.«
    »Und wann sind die Morde passiert?«
    »Der erste im Dezember 2000, der letzte im August 2003.«
    »Anschließend kommt er nach Toronto. Das ist unser Mann, John.«
    »Ich weiß es, du weißt es. Jetzt müssen wir ihn nur noch finden.«

50
     
    R ed Bear fuhr den BMW am Adlerschild vorbei ins Lager. Leons TransAm war weg; Leon war in der Stadt auf der Suche nach Terri Tait. Red Bear ging zu seinem Tempel hinüber und lauschte eine Weile. Von drinnen war nichts zu hören. Er holte seine Pakete aus dem Kofferraum und ging in seine Hütte.
    Er nahm eine ausgiebige heiße Dusche und verbrachte viel Zeit damit, sich die Haare zu trocknen.
    Anschließend sah er sich, immer noch nackt, den Inhalt seiner Päckchen an, die er allesamt übers Internet an eine Postfachadresse bestellt hatte. Als Erstes machte er ein mittelgroßes Paket auf. Darin befand sich eine hölzerne Kiste, nur Kiefer, aber gut geschreinert, mit sauber eingepassten Messingscharnieren, die einwandfrei funktionierten. Er hob den Deckel, und zum Vorschein kam eine Metzgersäge der Marke Northern Industrial auf einem Seidenfutter. Die Klinge war aus High-Carbon-Stahl und maß volle dreißig Zentimeter; der Rosenholzgriff schmiegte sich wie

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