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Kalter Mond

Kalter Mond

Titel: Kalter Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Waschmaschinendeckel. Leer. Der ganze Keller war leer und roch nach nichts anderem als Beton.
    Er ging die Treppe hoch und drückte die Tür auf; sie führte in die Küche. Der Kühlschrank und der Herd waren noch da, doch ansonsten war die Küche leer. Er blieb eine Minute lang stehen und nahm diese Leere in sich auf. Dies war nicht der Leerstand zwischen den alten und den neuen Mietern, sondern ein verlassener Ort, der einmal vielen Menschen ein Zuhause gewesen, jetzt aber nur noch Ziegel, Holz und abgestandene Luft war. Fast konnte er die Stimmen von Kindern hören, die Erwachsenen mit ihren alten Streitigkeiten und den Ausreden von Anno dazumal. Fast konnte er die unzähligen Mahlzeiten riechen, die auf diesem Kenmore-Herd gekocht worden waren.
    Der Spülstein war nass. Jemand hatte erst vor kurzem das Wasser laufen lassen. Cardinal öffnete den Schrank darunter und fand eine Papiertüte mit nichts weiter darin als einem Apfelbutzen und einer Bananenschale, die noch nicht schwarz geworden war.
    Er ging rasch ins Wohn-Esszimmer hinüber. Nicht schwer zu erkennen, dass an verschiedenen Stellen der Staub verwischt war. Er ging die halbe Treppe hoch. Im Bad und im Elternschlafzimmer nichts.
    In dem kleineren Zimmer dagegen fand er da, wo jemand sie hochgeschoben hatte, Fingerabdrücke an den Jalousien. Er öffnete die Falttüren des Wandschranks und blickte auf einpaar Bügel mit geisterhaften Plastikhüllen aus der Reinigung daran.
    Er trat auf den Flur hinaus und sah zu dem Viereck in der Decke hinauf, das zum Dachboden führte. Er kannte die Dachböden in solchen Häusern. Es waren winzige, unbelüftete Räume mit Fiberglasisolation und nicht viel mehr, eben groß genug, um ein paar Koffer hineinzustopfen. Man brauchte eine Leiter oder einen hohen Hocker, um hinaufzukommen, und dieser Speicherraum wirkte unberührt.
    Er ging wieder nach unten und öffnete den Einbauschrank vorne im Flur. Leer. Er stand in der Diele und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Terri Tait war zweifellos hier gewesen. Sämtliche Einheiten hielten Ausschau nach einer flüchtigen Patientin mit rotem Haar, doch das hätte sie unter der Kapuze verstecken können. Dann entdeckte er den Besenschrank unter der Treppe, und für einen Moment überfluteten ihn die Erinnerungen.
    Mit neun Jahren war er mit einem Jungen namens Tommy Brown, der hier oben auf dem Stützpunkt wohnte, dick befreundet gewesen. Sein Haus war genau wie dieses hier gewesen, und sie beide hatten viel Spaß dabei gehabt, sich in dieses Kabuff zu verkriechen, sich Geschichten aus
Twilight Zone
zu erzählen und überhaupt dem anderen möglichst viel Angst und Grusel einzujagen. Tommy nahm meist seinen Collie Tango mit hinein, so dass es bald nach Hundeatem stank.
    Cardinal trat an die kleine Tür. Der Riegel war offen. Er zog an dem Griff, und die Tür ging auf. Er kniete sich hin und sah hinein. Im Schatten der hinteren Ecke konnte er nur so eben das bleiche, ängstliche Gesicht von Terri Tait erkennen.

33
     
    T erri«, sagte Cardinal. »Alles in Ordnung mit Ihnen?« Sie sah weg, und ihr Gesicht verschwand im Schatten. »Bitte gehen Sie.«
    »Kommen Sie da raus, Terri. Niemand tut Ihnen was.«
    Cardinal hatte das Gefühl, nie etwas so Trauriges gesehen zu haben wie diese junge Frau, die sich zusammengekauert in einem Kabuff unter der Treppe versteckte, und zwar vor dem einzigen Menschen – soweit er wusste –, der ihr helfen wollte.
    Sie schniefte; Tränen schimmerten auf ihren Wangen.
    »Terri, kommen Sie raus und lassen Sie uns dann mal sehen, ob ich Ihnen bei dem, was Sie vorhaben, helfen kann, egal, was es ist. Einverstanden? Arbeiten wir zusammen.«
    Cardinal wünschte sich, Delorme dabeizuhaben. Wohlgemerkt, Delorme würde sie wahrscheinlich einfach dort herausziehen und fragen, was zum Teufel sie sich dabei dachte.
    Terri kroch aus der Kammer, richtete sich auf und legte die Arme um den Körper, obwohl es nicht kalt war.
    Cardinal deutete auf die Treppe.
    »Wollen Sie sich nicht setzen?«
    »Ich glaube, ich stehe lieber.«
    »Setzen Sie sich, um Gottes willen. Sie sehen aus, als wollten Sie gleich in Ohnmacht fallen.«
    Er nahm sie bei der Schulter und drückte sie sanft auf die Stufen.
    »Wieso hatten Sie solche Angst?«, fragte er. »Was dachten Sie denn, wer ich bin?«
    Terri zuckte die Achseln. Sie trug das geklaute Kapuzensweatshirt. Die Ärmel hingen ihr über die Handgelenke, undsie wirkte darin verloren wie ein Waisenkind, was sie natürlich auch

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