Kalter Schlaf - Roman
keinerlei Hinweis darauf finden können, dass Mrs. Luckman oder sonst jemand in Birmingham Suzie als vermisst gemeldet hatte.
Kate betrachtete die ältere Frau und erkannte betrübt, was ihre chaotische Art und ihre Gedächtnislücken in Wirklichkeit bedeuteten.
Mrs. Luckman erwiderte ihren Blick unsicher. »Nun, soviel ich weiß … arbeitet sie in London …«
Bernie, dem sichtlich unbehaglich zumute war, wechselte einen Blick mit Kate.
Sie sprach bewusst deutlich mit Mrs. Luckman, wählte ihre Worte so präzise wie möglich. »Was hat Suzie nach dem Überfall getan?«
Die alte Lady saß still da. Nach einer langen Pause sah sie zu Kate auf.
»Sie glauben, dass Suzie tot ist«, sagte sie in anklagendem Tonfall.
Sie warteten. Kate war besorgt, weil sie fürchtete, die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, könnte die Frau aus der Fassung bringen. Mrs. Luckman bewegte sich, blinzelte und schien ihre Umgebung wieder deutlicher wahrzunehmen. Sie sah zu der Uhr auf dem Kaminsims hinüber. Es war Viertel vor zwölf.
»Darf ich Ihnen einen süßen Sherry anbieten? Vielleicht … einen winzigen Schluck?«
Beide lehnten dankend ab. Wieder Schweigen.
Dann: »Ein netter Mann war hier … Harry, so hat er geheißen, glaub ich. Er hat Suzies Haarbürste mitgenommen.«
Kate wusste, dass Connie die Spusi gebeten hatte, Genmaterial aus Suzie Luckmans Familie zu beschaffen, nachdem die Pathologin erfahren hatte, dass die KUF vermutete, der gefundene Oberschenkelknochen könnte von Suzie stammen.
Mrs. Luckmans Blick war plötzlich nicht mehr vage. »Ich weiß, was Sie von Suzie denken. Manchmal denke ich das auch. Dass ihr irgendwas zugestoßen ist. Irgendwas ganz Schlimmes. Das ist alles so lange her, aber … es ist schwierig, den Überblick zu behalten.« Sie machte frustriert eine Handbewegung, die ihrem eigenen Kopf galt.
Kate und Bernie sahen betroffen zu, wie sie plötzlich, in Tränen aufgelöst, vor ihnen saß. Aber Sekunden später schlug ihre Stimmung wieder um. »Jetzt weiß ich’s wieder!«, sagte sie strahlend. »Suzie ist in London, führt dort ein wunderbares Leben.« Sie runzelte die Stirn. »Vielleicht ist das ein kleines Spiel, das ich mit mir selbst …«
Kate hatte das Gefühl, in ihrem Kopf baue sich allmählich schmerzhafter Druck auf. Sie hatte Verständnis für diese Selbsttäuschung, wusste aber auch, dass Mrs. Luckman ein erheblich schlimmeres Problem hatte. In Gedanken versuchte sie, ihr Alter zu schätzen. Wahrscheinlich Mitte sechzig. Also musste die Krankheit bei ihr ungewöhnlich früh ausgebrochen sein.
»Mrs. Luckman. Können Sie uns ein bisschen über Suzie erzählen, weil wir sie nicht kennen?«
Die Miene der älteren Frau hellte sich auf. »Sie ist ein kluges Mädchen. Ein cleveres Mädchen.«
Die nächste Frage stellte Bernie. »Hatte sie einen festen Freund, Mrs. Luckman? Als sie damals überfallen wurde?«
»Nein. Sie hat sich hier nicht recht wohlgefühlt. Deshalb ist sie nach London gegangen.« Sie sah die beiden an. »Sie ist hingegangen. Nach London. Sie ist hingegangen!«
Kate beeilte sich, Mrs. Luckman zu beschwichtigen, die offensichtlich kurz davor war, wieder in Tränen auszubrechen. »Das wissen wir«, sagte sie, eine Hand auf dem Arm der älteren Frau.
Um keinen Preis der Welt hätte Kate ihr von dem Ergebnis ihrer Kreditkartenrecherche erzählt. Oder weshalb Harry bei ihr gewesen war, um einen von Suzies benutzten Gegenstand zu holen. Die arme Frau schien nur andeutungsweise zu ahnen, dass ihre Tochter ziemlich sicher nicht mehr lebte. Vielleicht war der freundlichste Aspekt ihrer Krankheit, dass sie Mrs. Luckman vor dieser Realität schützte.
Kate wäre am liebsten gegangen und hätte die arme Frau in Ruhe gelassen. Aber sie mussten bestimmte Tatsachen dringend verifizieren, wenn sich das irgendwie machen ließ.
»Hat Suzie in ihrer Zeit in Birmingham hier gewohnt? Bei Ihnen?«, fragte Kate.
Ein rasches zustimmendes Nicken. »O ja! Auch mit einundzwanzig Jahren war sie noch unschlüssig. Sie wusste nicht recht, was sie tun wollte. Oder sein wollte.«
»Hatte sie denn irgendwelche Ideen?«
Mrs. Luckman lächelte. »Komisch, dass Sie danach fragen. Sie hat überlegt, ob sie zur Polizei gehen sollte. Sie war ein großes Mädchen, wissen Sie, aber sie hat mir erklärt: ›Mom, das spielt heutzutage keine Rolle mehr.‹«
Kate machte sich Notizen in Stenoschrift. »Hat Suzie vor ihrer Übersiedlung nach London in Birmingham gearbeitet?«
»Ja, als
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