Kalter Schlaf - Roman
’ne Schlampe.«
Kate erinnerte sich an eine seiner Tätowierungen. Mom.
»Hatten Sie als Jugendlicher Schwierigkeiten mit der Polizei, Mr. Malins?«
Dieser jähe Themenwechsel schien ihn zu verblüffen. »Wer hat die nicht?«
»Erzählen Sie uns bitte mehr darüber?«
Er starrte sie kurz an, dann grinste er. »Sie sind genau wie alle Seelenklempner, die ich bisher erlebt hab. Erzählen Sie mir von Ihrer Kindheit, Alan, erzählen Sie uns von Ihren Freunden, Alan, von Ihren Freundinnen, Alan. Was ist daran so interessant? Ihr Seelenklempner fahrt darauf ab, glaub ich, weil ihr kein eigenes Leben habt!« Sein Blick wanderte von Kates Füßen langsam nach oben. »Na ja, vielleicht mit ein paar Ausnahmen …«
»Keine Unverschämtheiten, Mr. Malins, sonst behalten wir Sie eine Weile hier.«
Malins sah kurz zu Joe hinüber, dann wandte er sich grinsend wieder Kate zu. »Wie lautet die Frage gleich wieder, Darling?«
»Hatten Sie als Jugendlicher Schwierigkeiten mit der Polizei?«, wiederholte Kate.
Er nickte. »Ich war ein ziemlich wilder Bursche. Bin ein paarmal in Schwulitäten geraten. Aber das ist lange her.«
»Erzählen Sie uns davon.«
Malins zuckte mit den Schultern, wirkte plötzlich wachsam. Kate konnte sich vorstellen, dass er seine Biografie schönen würde. »Ich hab ’nem Jungen das Fahrrad geklaut … nun ja, das hat er behauptet. Danach bin ich in ein privates Internat gesteckt worden.«
So viele Euphemismen, dachte Kate, die recht gut wusste, welche Realität sich hinter dem »privaten Internat« verbarg. Ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche, mit denen die Eltern nicht mehr fertigwurden. Malins’ zufälliger Hinweis auf »Seelenklempner«, mit denen er in seiner Jugend zu tun gehabt hatte, hatte ihr eine Kindheit voller emotionaler und verhaltensbedingter Probleme bestätigt.
»Wie haben Ihre Mom und Ihr Dad darauf reagiert? Dass Sie weggeschickt wurden?« Sie sah, dass Malins sofort verärgert reagierte.
»Wenn Sie meinen Alten jemals finden, können Sie ihn das selbst fragen. Sparen Sie sich die Mühe, mir zu erzählen, was er gesagt hat. Und über meine Mom rede ich nicht mit Leuten wie Ihnen.« Er sah von Kate zu Joe hinüber. »Ich bin hier fertig.«
Kate beobachtete, wie er aufstand und zur Tür stapfte. Unter dem kurz geschnittenen, rötlichen Haar waren mehrere Narben an seinem Hinterkopf zu erkennen. Sie sah zu Joe hinüber, der leicht den Kopf schüttelte. Sie konnten ihn nicht am Gehen hindern. Aber weil Kate sich über Malins’ Gefühllosigkeit gegenüber seinem jungen Opfer ärgerte, sprach sie den breiten Rücken an.
»Sie haben hier einige Kommentare zu Frauen abgegeben, Mr. Malins. Sind das die Kategorien, in denen Sie von ihnen denken: Tussi, Schlampe, Nutte?«
Sein Stiernacken lief rot an. Malins drehte sich halb um und sagte feindselig: »Sie haben was ausgelassen, Schätzchen. Wie wär’s mit ›verklemmter, hochnäsiger Zicke‹?«
Joe wollte aufspringen, aber Kate schüttelte rasch den Kopf. Sie hatte eine letzte Frage, die etwas betraf, das ihr Unterbewusstsein beschäftigt hatte.
»Was hat sie angehabt, Mr. Malins? Das Mädchen aus der Broad Street?«
Er drehte sich ganz zu ihr um, von dem neuerlichen Themenwechsel sichtlich verblüfft. »Für wen halten Sie mich, Tommy Hilfinger? Weiß ich nicht mehr.«
»Versuchen Sie’s«, drängte Joe ihn.
»Jeans. Ein Top. Schuhe.«
Kate vermutete, damit könnten die Grenzen von Malins’ Beobachtungsgabe fast erreicht sein.
»Welche Farbe hatten ihre Sachen? Hat sie irgendwelchen Schmuck getragen?«
»Weiß ich nicht mehr. Ist mir auch sch…«
Als Joe aufstand, überlegte Malins sich die Sache anders und lenkte rasch ein.
»Schwarze Jeans. Orangerotes Top, tief ausgeschnitten. Armband mit Anhängern … hey, Moment mal! Wollen Sie behaupten, ich hätte ihr Zeug geklaut?«
»Beantworten Sie einfach die Frage, Malins«, wies Joe ihn an.
»Fuck you!« Als er Kate ansah, war das alte Grinsen wieder da. »Ah, verstehe. Sie sind noch bei der Sache mit ihrem Alter, das man ihr nicht angesehen hat. Also, ich will Ihnen mal was sagen: Wenn ich ’ne sechzehnjährige Tochter hätte, würd’ ich sie nicht so ausgehen lassen. Nicht in solcher Aufmachung, die …«
»Danke, Mr. Malins. Sie haben mir alles erzählt, was ich wissen wollte«, sagte Kate ruhig.
Er musterte sie beide feindselig, machte kehrt, riss die Tür auf und stapfte hinaus.
Als Malins ging, sah Kate intuitiv Bilder aus seiner Kindheit: ein
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