Kalter Schlaf - Roman
und wählte eine Nummer im Haus.
»Hallo«, sagte Constable Whittaker. »Was kann ich für die KUF tun, Dr. Hanson?«
»Ist Inspector Furman schon zurückgekommen?«
»Sorry, Doktor, aber als er weggefahren ist, hat er mir gesagt, dass er erst morgen wieder zum Dienst kommt.«
Kate legte auf und beschloss, nach Hause zu fahren. Sie konnte Furman ohnehin nicht allein zur Rede stellen. Und wenn sie sich irrte, würde ihm das wegen ihres gespannten Verhältnisses alle Munition liefern, die er noch brauchte.
Nachdem Kate die Archivbox unter den Tisch gestellt hatte, nahm sie Amélies Aussage und Suzies unausgefüllten Vordruck zu dem sicheren Stahlschrank mit. Sie ging davor in die Hocke und legte beide Blätter hinein, Suzies obenauf. Als sie die Tür schließen wollte, hatte sie plötzlich das Gefühl, eine eisige Hand greife nach ihrem Herzen.
Vor sich hatte sie die Antwort auf die Frage, woher Suzies Mörder gewusst hatte, wo er sie finden konnte, wenn sie nicht zu Besuch bei ihrer Mutter in Birmingham war. Sie griff nach dem Blatt Papier und starrte die dort stehende Adresse an: Name, Hausnummer, Straße und Stadtteil. Camden, London.
Kate zwang sich dazu, tief und gleichmäßig zu atmen, als sie das Blatt zurücklegte, die Tür schloss und den Schrank absperrte. Wer Suzie ermordet hatte, musste ihre Londoner Adresse gekannt haben, um ihren Wochenendkoffer zurückbringen zu können, damit niemand genau wusste, wo sie bei ihrem Verschwinden gewesen war. Der Täter hatte einen möglichst weit entfernten Ort gewählt. So konnte er nicht mit dem Mord an ihr in Verbindung gebracht werden.
Sie richtete sich auf, blieb aber noch stehen und starrte den kleinen Schrank an. Die spärlichen Angaben ließen darauf schließen, dass Suzie den Täter nicht sofort erkannt hatte, sondern erst während der Befragung. Daraufhin war sie gegangen.
Das sind reine Vermutungen. Dies wäre nicht das erste Mal, dass du Zusammenhänge siehst, wo keine existieren.
Du weißt nicht, wer mit Suzie gesprochen hat. Du weißt nicht, wen sie an dem bewussten Tag hier gesehen hat. Oder ob sie ihn überhaupt hier gesehen hat.
Und außerdem ist deine Theorie Wahnsinn.
Bringst du sie als Theorie vor, bist du erledigt.
Kate starrte blicklos vor sich, dann schüttelte sie den Kopf. Wahnsinn hin oder her, alle Überlegungen führten sie an einen Ort zurück.
Rose Road.
68
Er war in der Werkstatt, saß an die Wand gelehnt, hatte seine Atmung mehr oder weniger unter Kontrolle. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so kräftig sein würde. Zum Glück hatte er nicht auch die kleine Rothaarige – ihre Tochter – mitgenommen. Mit beiden wäre er nie fertiggeworden.
Er starrte blicklos vor sich hin. Eine weitere Lehre für ihn. Zu jung. Obwohl dies eine Anomalie war. Ein bewusster Wechsel seines Modus Operandi. Bei diesem Fachausdruck verzog er das Gesicht, war kurz irritiert. Sie würde nicht lockerlassen, bis sie die Antwort hatte. Sie konnte einfach nicht die Finger davon lassen. Er zuckte kaum merklich mit den Schultern. Na schön. Bis sie wirklich so weit war, würde er auch sie haben.
Er betrachtete die Anomalie, die drei Meter von ihm entfernt lag: bewusstlos, auf dem Bauch liegend, ihr blondes Haar um den Kopf ausgebreitet. Ein großes Mädchen. Sie sah viel älter als zwölf oder dreizehn Jahre aus. Wenn er es sich recht überlegte, unterschied sie sich kaum von den übrigen Frauen. Er lächelte.
Bekanntschaften.
Er betrachtete sie noch mal. Anomalie, Bekanntschaft und nun eine Gelegenheit, die er nicht ungenutzt lassen durfte. Das Bedürfnis pulsierte in ihm.
69
Kate war an einem Freitagnachmittag in dem dichten Berufs- und Wochenendverkehr auf der Bond Street unterwegs. Die Ampel vor ihr sprang auf Rot um, und Kate musste halten. Sie sah durch die Frontscheibe nach vorn und fragte sich, wozu sie hier war. Die einzige Antwort, die ihr einfiel, betraf die Tatsache, dass George Brannigan am Ort von Mollys Entführung gewesen war. Vielleicht erinnerte er sich bei einem neuerlichen Gespräch an weitere Einzelheiten jenes Tages. Sie konnte ihn auch fragen, wo er bei Jody Westbrookes Verschwinden gewesen war.
Als Kate weiterfuhr, rief sie sich die bisherigen Fortschritte in Erinnerung – aber auch die Widerstände, mit denen sie zu kämpfen gehabt hatte. Sie gelangte zu einer deprimierenden, aber unausweichlichen Schlussfolgerung.
Zu eigensinnig, um eine Teamspielerin zu sein.
Bei der Gegenpartei das ständige Beharren auf
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