Kalter Süden
blickte in die andere Richtung und erinnerte sich, dass Rickard Marméns Maklerbüro gleich um die Ecke lag. Vielleicht hatte er ja noch geöffnet?
Sie ging nach rechts, bog beim British Bookstore ab und sah, dass im Geschäft Licht brannte. Sie drückte die Türklinke herunter, abgeschlossen. Schließlich stellte sie sich ans Schaufenster und legte die Hände an die Augen, um das Ladeninnere und nicht ihr eigenes Spiegelbild zu sehen.
Das Büro war nicht besetzt, aber ein bläulicher Schimmer an der Wand hinter dem Schreibtisch verriet, dass der Computer noch an war.
Sie klopfte an die Fensterscheibe.
Rickard Marmén steckte seinen Kopf durch eine Türöffnung ganz hinten im Raum. Er schien etwas zu sagen, aber Annika verstand ihn nicht.
Er verschwand wieder, war jedoch einen Moment später mit dem Schlüssel in der Hand an der Ladentür.
»Annika Bengtzon, unsere Lieblingsrepräsentantin der schwedischen Presse«, begrüßte er sie und hielt ihr die Tür auf. »Hereinspaziert!«
Annika lächelte und hauchte ihm Luftküsschen auf beide Wangen.
»Womit können wir heute Abend dienen?«, fragte er.
»Sie haben nicht vielleicht ein neues Leben im Angebot?«, sagte sie und betrat den Laden.
»Aber Verehrteste, wir handeln hier mit nichts anderem. Träume und neue Leben sind unsere Spezialität. Hatten Sie an etwas Bestimmtes gedacht? Marmorfußböden oder wilden Wein auf der Terrasse? Vier Badezimmer mit Meerblick?«
Sie lachte, und mit dem Lachen kehrten auch ihre Lebensgeister zurück. Sie ließ sich auf einen der Besucherstühle sinken. Neben dem Tischbein lag eine große Wollmaus. An der Schaufensterscheibe sah man Schlieren. Rickard Marmén schloss die Tür wieder ab und setzte sich neben sie.
»Nun, warum sind Sie so unzufrieden mit Ihrem derzeitigen Dasein?«
Annika blickte zu Boden und beschloss, sich um eine Antwort zu drücken.
»Ich bin hier, um über Drogenhandel und Geldwäsche zu schreiben«, sagte sie, »deshalb geht es mir im Moment eigentlich ganz gut. Die Artikelserie heißt ›Die Kokainküste‹.«
»Klingt spannend«, sagte Rickard Marmén. »Möchten Sie ein Glas Wein?«
Annika schüttelte den Kopf.
Rickard Marmén erhob sich dennoch. Er holte eine Flasche Rotwein und zwei Gläser.
»Sie müssen mir Gesellschaft leisten«, verlangte er. »Und, wie ist es so mit dem Kokain?«
Er schenkte Rioja in beide Gläser.
»Ich habe noch ein gutes Stück Arbeit vor mir«, sagte sie.
»Bei dem Thema kann ich Ihnen nicht weiterhelfen«, bedauerte er. »Rauschgift gehört zu den wenigen Dingen, mit denen ich nie gehandelt habe. Ich habe überhaupt keine Kontakte in der Branche. Skål!«
Er trank mit geschlossenen Augen.
Annika nippte an ihrem Wein. Er schmeckte aufdringlich stark, und sie stellte das Glas gleich wieder ab.
»Haben die Geschäfte sich wieder erholt?«, fragte sie.
»Bisher haben sie nur stagniert«, sagte er, »aber jetzt sind sie rückläufig. Hypotheken werden nur vergeben, wenn die Käufer fünfzig Prozent des Kaufpreises in bar hinlegen können, selbst wenn sie eine Baugenehmigung für ihr Haus haben. So viel Bargeld haben nur die Drogenbarone, und davon gibt es zwar eine Menge, aber die machen nicht den gesamten Markt aus. Die Preise sinken, und da verkaufen die Leute nicht, sondern warten ab. Ich habe schon überlegt, eine Vermietungsagentur zu eröffnen. Das ist das Einzige, was die Leute derzeit machen: Sie vermieten die Objekte und warten auf bessere Zeiten …«
Annika unterbrach seinen Redefluss.
»Die Drogenbarone bezahlen bar?«
»Wenn sie etwas reichlich haben, dann Scheine. Sie wollen über Geldwäsche schreiben? Große und teure Häuser bauen ist eine gute Methode, um Schwarzgeld zu waschen.«
Annika betrachtete ihn. Eigentlich durfte sie sich ja nicht wundern.
»Sie wissen also, wie man Geld wäscht?«
Auf Rickard Marméns Gesicht erschien ein sehr betrübtes Lächeln.
»Leider habe ich mich nie in der Situation befunden, Schwarzgeld waschen zu müssen«, sagte er. »Aber wie die Waschmaschine funktioniert ist kein großes Geheimnis.«
»Könnten Sie mir Genaueres darüber erzählen?«
»Was möchten Sie wissen?«
Sie kramte Block und Stift aus ihrer Tasche. Rickard Marmén schenkte sich noch ein Glas ein.
»Die Drogenbosse kaufen also Immobilien«, sagte sie.
Der Makler nickte.
»Die Gesetze werden immer schärfer«, erklärte er. »Man kann nicht mehr mit einem Müllsack voller Dollarscheine bei der Bank antanzen. Noch bevor man
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