Kalter Süden
›Sparkonto‹ sagen kann, ist die Polizei schon da. Banken und Geldinstitute unterliegen der Anzeigepflicht. Man muss nachweisen können, dass man auf legale Weise an das Geld gekommen ist.«
»Und deshalb kauft man ein Haus?«
»Oder man kauft ein Grundstück und baut ein Haus. So viel wie möglich wird bar bezahlt. Für den Bauunternehmer ist es kein Problem, die Geldscheine zu seiner Bank zu karren, er kann ja belegen, dass sie von einem Hausbau stammen. Er hat Quittungen über Rohre und Zement und Ziegelsteine. Am Ende steht das Haus fix und fertig da und wird für eine Summe von X Millionen verkauft. Der Drogenbaron kann nachweisen, dass er das Geld durch den Verkauf des Hauses eingenommen hat, völlig legal. Und schon ist die Kohle im System verschwunden.«
»Da müssen sie aber viele Häuser bauen«, sagte Annika.
»Und auf vielen Luxusyachten herumsegeln«, sagte Rickard Marmén. »Deshalb ist es ja so praktisch mit Gibraltar.«
Annika legte den Stift aus der Hand.
»Ich habe neulich was von einer ›Operation Beluga‹ gelesen«, sagte sie. »Das war eine Riesenrazzia, bei der man massenhaft Gauner festgenommen und über zweihundertfünfzig Villen beschlagnahmt hat. Diese Leute hatten ihre Geschäfte offenbar über Anwälte und Firmen in Gibraltar abgewickelt.«
Rickard Marmén nickte eifrig und leerte sein zweites Glas.
»Stimmt genau«, sagte er.
Annika kritzelte etwas auf ihren Block.
»Wie funktioniert das eigentlich? Der Geldwäscher gründet eine Firma in Gibraltar«, sagte sie und malte einen Kreis mitten aufs Papier. »Und dann?«
»Mehrere Firmen«, sagte Rickard Marmén geduldig, griff nach ihrem Block und legte ihn auf seinen Schoß. Er malte verschiedene kleine Kreise rund um den ersten.
»Die Drogenbosse schleusen Geld in eine der Firmen ein, und dann fangen sie an, zwischen den Firmen Rechnungen zu stellen. Das können Mieten sein, Beratungsleistungen, Import und Export von Waren, alles Mögliche.«
»Aber nichts davon ist echt?«, fragte Annika. »Sämtliche Rechnungen sind fingiert?«
Der Makler goss Wein nach.
»Sicher, dass Sie keinen möchten?«
Annika zeigte auf die Kreise.
»Wenn also alle Rechnungen vorliegen, ist es völlig in Ordnung, dass auch das Geld da ist, stimmt’s?«, fragte sie.
»Simsalabim«, sagte Rickard Marmén. »Schwarze Drogengelder haben sich in saubere Firmengelder verwandelt, alles kontrolliert und abgesegnet von Anwälten und Banken und Wirtschaftsprüfern. Und Gibraltar ist obendrein völlig steuerfrei, ist das nicht praktisch!«
»Aber ist denn keiner da, der kontrolliert, ob das auch alles stimmt?«
»Doch, natürlich. Die Anwälte und Banken und Wirtschaftsprüfer.«
»Anwälte und Wirtschaftsprüfer, die in Gibraltar ansässig sind?«
»Exakt.«
Langsam wurde ihr klar, warum Patrik so scharf darauf war, dass sie einen von denen interviewte.
»Sie kennen nicht zufällig einen schwedischen Rechtsanwalt, den ich interviewen könnte?«
»In Gibraltar?«
Er ließ den Wein im Mund herumrollen, während er überlegte. Dann schluckte er geräuschvoll.
»Einen schwedischen nicht«, verkündete er, »aber einen dänischen.«
»Wäscht er Geld?«
Rickard Marmén lächelte wieder.
»Wie gesagt, leider nicht für mich. Möchten Sie, dass ich ihn anrufe?«
»Schrecklich gern.«
Während Rickard Marmén leicht schwankend seinen Schreibtisch umrundete und eine Telefonnummer mit der Vorwahl 350 wählte, ging sie auf die Toilette. Es gab kein Toilettenpapier, und im Waschbecken prangten dunkelgraue Schmutzränder.
Rickard Marmén sparte an den Reinigungskosten.
Annika starrte ihr Spiegelbild an, während sie das Auf und Ab von Marméns Stimme hörte. Man konnte sehen, dass sie geweint hatte: Ihre Augen hatten rote Ränder, und die Wimpern waren durch die aufgeweichte Mascara zu Fliegenbeinen verklebt.
Sie merkte, wie ungeheuer müde sie war.
Dann hörte sie, wie das Telefon im Büro aufgelegt wurde. Sie plätscherte pflichtschuldig ein wenig im Waschbecken und ging wieder hinaus zu Rickard Marmén.
»Stig Seidenfaden empfängt Sie morgen früh in seiner Kanzlei«, sagte der Makler. »Hätten Sie Lust, den Hafen anzusegeln und einen Happen zu essen?«
Sie lächelte und fühlte sich einer Ohnmacht nahe.
»Danke«, lehnte sie ab, »ich habe schon gegessen. Ich muss mich jetzt hinsetzen und einen Artikel schreiben.«
Rickard Marmén schnalzte missmutig mit der Zunge.
»All work and no joy makes Jack a dull boy« , sagte er.
»Ach«,
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