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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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umklammerte das Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
    Die Fahrt war kürzer, als Annika zu hoffen gewagt hatte. Nach einer halben Stunde waren sie bereits in La Línea, der spanischen Grenzstadt, die praktisch mit Gibraltar zusammengewachsen war. Sie folgten einer vierspurigen Straße, die am Wasser entlangführte, und vor ihnen erhob sich steil, laut Wikipedia vierhundertdreißig Meter hoch, der Felsen von Gibraltar aus dem Meer.
    »Versuch hier irgendwo einen Parkplatz zu finden«, schlug Annika vor. »Es soll total umständlich sein, mit dem Auto durch den Zoll zu fahren. Außerdem ist sowieso nicht gesagt, dass sie uns mit einem Mietwagen überhaupt durchlassen.«
    Lotta warf den Kopf in den Nacken.
    »Ich habe vor, gute Fotos zu machen, und dafür brauche ich eine gute Ausrüstung. Ich kann die Sachen nicht schleppen, ich muss mit dem Auto rüberfahren.«
    »Für die Bilder, die wir brauchen, ist dieser ganze Studiokram völlig überflüssig«, sagte Annika.
    Im selben Moment musste Lotta bremsen. Vor ihnen stand eine lange Autoschlange. Das Ende war mit bloßem Auge nicht zu erkennen.
    Annika seufzte. Sie warteten eine Minute. Zwei Minuten. Fünf Minuten.
    Dann öffnete sie die Wagentür und stieg aus.
    »Ich gehe mal nachsehen, was da los ist.«
    Es war bedeutend kühler als in Marbella. Zu ihrer Rechten rauschte der Atlantische Ozean, hinter dem Felsen lag das Mittelmeer. Der Wind kam vom Atlantik. Sie war froh, dass sie Jeans und einen Pullover angezogen hatte.
    Sie ließ Auto für Auto hinter sich, ging ein paar hundert Meter, bis sie den Anfang der Schlange ausmachen konnte. Dann kehrte sie um. Lotta war mittlerweile ungefähr vier Meter vorgerückt. Annika stieg wieder ein.
    »Das ist die Schlange am Zoll nach Gibraltar«, sagte sie. »Das dauert zwei Stunden, bis wir da durch sind. Mindestens.«
    »Du respektierst meine Integrität als Fotografin nicht«, sagte Lotta. »Ich muss das Gefühl haben, dass ich hinter meiner Arbeit stehe. Du verlangst von mir, dass ich in einem ekelhaften Gefängnis ein nichtssagendes Foto mache, wenn ich die Möglichkeit hätte, dasselbe Motiv wirklich dramatisch darzustellen.«
    Annika schluckte.
    »Das mag sein«, antwortete sie. »Aber für diese Artikelserie ist eben das ekelhafte Gefängnis wichtig. Da können von mir aus haufenweise Frauen mit Ziegen und runzeligen Gesichtern herumlaufen, wir sind hier, um über Drogen und Geldwäsche zu berichten.«
    »Ich spreche nicht von Frauen mit runzeligen Gesichtern, die Fotos habe ich nur gemacht, weil ich nichts anderes zu tun hatte. Man kann auf jeden Fall gute Fotos in einem Gefängnis machen, aber dafür muss man dem Licht folgen, man muss mit dem Bild arbeiten. Dort sein, wenn es dämmert und die Sonne untergeht, und sehen, wie die Farben sich verändern …«
    »Warum hast du es denn nicht gemacht?«, fragte Annika.
    »Du bestimmst doch die ganze Zeit! Du entscheidest, wann wir wohin fahren. Du behandelst mich wie deine Sekretärin.«
    »Habe ich dich daran gehindert, die Initiative zu ergreifen? Habe ich ein einziges Mal nein gesagt, wenn du etwas vorgeschlagen hast? Du hast doch immer bekommen, was du wolltest, sobald du nur den Mund aufgemacht hast!«
    Lotta senkte den Blick und versuchte, ein Schluchzen zu unterdrücken.
    »So einfach ist das nicht«, sagte sie. »Ich bin noch ganz neu, und du bist Annika Bengtzon. Glaubst du wirklich, ich würde mich trauen, dir zu sagen, was wir machen sollen?«
    Annika war baff.
    »Was denn ›Annika Bengtzon‹? Was meinst du damit?«
    »Alle wissen, wie du mit Springern umgehst. Glaubst du wirklich, dass ich scharf auf diesen Job war? Vier Tage mit dir?«
    Annika stopfte ihre Sachen in die Tasche, öffnete die Tür und stieg aus dem Wagen.
    »Wohin gehst du?«, rief Lotta ihr hinterher.
    »Mach du deine scheiß Bilder. Ich interviewe jetzt den Anwalt. Wir sehen uns morgen früh am Flughafen.«
    Sie knallte die Tür zu und marschierte mit der Tasche über der Schulter in Richtung Grenze davon.
    Am Fußgängerübergang war keine Schlange. Sie zeigte ihren Pass vor, ging einige Meter durchs Niemandsland und betrat die britische Grenzkontrolle.
    Das Gebäude erinnerte an die U-Bahn-Station eines Londoner Vorortes. Das Dach war niedrig und gewölbt wie ein Tunnel, der Boden graublau, die Wände aus getünchtem Beton. Ein paar müde Topfpflanzen standen herum, außerdem ein Cola-Automat und einer mit englischen Schokoriegeln. An einem Schreibtisch saß ein

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