Kalter Süden
Annika, »und wie du hierhergekommen bist.«
Suzette zuckte mit den Schultern und lächelte.
»Wollen Sie mich interviewen?«
»Möchtest du denn interviewt werden?«
»Ha!«
Sie warf den Kopf zurück.
»Das würde Fatima nie erlauben. Ich darf keinem Menschen verraten, wo ich bin.«
»Warum denn nicht?«, fragte Annika rasch. »Wirst du hier gefangen gehalten?«
Suzette pulte an ihren Nägeln herum, hörte aber nicht auf zu lächeln.
»Fatima hat mich geholt«, antwortete sie. »Sie hat gesagt, ich soll allen erzählen, dass ich ganz woanders bin, und dann sind wir hierhergefahren.«
Warum auch immer das Mädchen abgeschirmt wurde, sie schien sich keine Sorgen zu machen, so viel stand fest. Ihre Angaben stimmten vermutlich. Francis, der Tennistrainer, hatte ja auch behauptet, dass Suzette zu unstrukturiert war, um selbst eine ausgeklügelte Flucht zu planen.
»Aber du hattest doch gar keinen Pass dabei«, sagte Annika.
Suzette setzte sich gereizt auf und streifte sich die Turnschuhe von den Füßen.
»Fatima hat doch eigene Boote, sie braucht nicht durch den Zoll. Sie läuft ihren eigenen Hafen an.«
So ist das also, dachte Annika.
»Und seitdem bist du hier?«
Das Mädchen nickte.
»Möchtest du denn hier sein?«
Sie hörte auf zu nicken und wurde ganz still.
»Wissen Sie, was passiert ist?«, fragte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Das mit dem Gas?«
Annika erhob sich vom Frühstückstisch und setzte sich Suzette gegenüber.
»Ja«, sagte sie, »ich weiß, was passiert ist. Ich habe darüber in der Zeitung berichtet.«
Die Tränen rannen über.
»Sie waren so wahnsinnig klein, und so wahnsinnig süß. Leo konnte eine richtige Nervensäge sein, aber er war ja noch so klein. Und Mü war das süßeste Mädchen der Welt, sie liebte Pferde, genau wie ich …«
Suzette vergrub das Gesicht in den Händen und weinte. Annika saß ganz still und ließ sie weinen. Schließlich wischte Suzette sich Tränen und Schnodder mit dem Handrücken ab und blickte zu Annika auf. Ihre Wimperntusche war übers ganze Gesicht verteilt.
»Warte, ich gebe dir was zum Abtrocknen«, sagte Annika und holte ihre unbenutzte Stoffserviette vom Frühstückstisch.
Suzette schnäuzte sich lautstark und rieb sich dann die Mascara von den Wangen.
»Und Oma«, fügte sie hinzu. »Sie war meine beste Freundin.«
Annika setzte sich wieder.
»Du meinst Astrid?«
Das Mädchen nickte.
»Sie hat immer gesagt, dass ich ihre Prinzessin bin, dabei war sie gar nicht meine richtige Oma.«
Sie schnäuzte sich noch einmal.
»Mit ihr bin ich zum ersten Mal hierhergekommen. Die Farm war unser ganz spezieller Ort.«
Annika versuchte ruhig und neutral zu klingen, als sie fragte:
»Du und Astrid seid also immer gemeinsam hierhergefahren?«
Das Mädchen nickte.
»Warum?«
»Oma kennt Fatima gut, sie machen Bisniss zusammen. Amira ist genauso alt wie ich, und sie hat ein eigenes Pferd, seit sie vier ist. Wir haben uns jeden Sommer hier getroffen.«
»Ist es nicht schwierig, sich mit Amira zu verständigen?«, fragte Annika, obwohl sie die Antwort kannte.
»Sie spricht Schwedisch, ihr Vater war nämlich Schwede. Als sie klein war, hatte sie immer ein schwedisches Kindermädchen, und Oma schickte ihr alle Videos mit Ferien auf Saltkrokan und Bamse Bär und Willi Wiberg .«
Suzette lachte.
»Was für eine verrückte Idee, Saltkrokan ins tiefste Afrika zu schicken!«
Annika beugte sich vor.
»Wie heißt Amiras Vater?«
Suzette verstummte und runzelte die Augenbrauen.
»Er ist tot. Er hat nicht hier gewohnt, ich habe ihn nie kennengelernt. Aber ihre Mutter heißt Fatima, und ihre Schwestern heißen Maryam und Sabrina. Maryam ist mit Abbas verheiratet, und sie haben die süßesten Kinder der Welt, zwei kleine Jungs. Sabrina ist allerdings nicht hier, sie studiert in Harvard, und dorthin soll Amira auch, wenn sie ihr Abitur bestanden hat …«
Annika versuchte, ein Gesicht zu machen, als sei es völlig normal, an der Harvard University zu studieren.
»War Maryam auch in Harvard?«
»Nee, die war zwei Jahre in Cambridge, genau wie Fatima, aber sie wollte lieber nach Hause und Abbas heiraten, und das durfte sie natürlich. Fatima zwingt niemanden. Sie zwingt mich auch nicht, ich lerne nämlich nicht gerne. Ich habe ein eigenes Pferd bekommen, Larache. Er ist eine Kreuzung aus arabischem und englischem Vollblut und wahnsinnig lieb. Ich möchte mit Tieren und Pferden arbeiten, und Fatima findet das auch gut.«
Sie
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