Kalter Süden
Gläschen?«
Wumm wumm wumm .
»Heute nicht«, sagte Annika. »Ich muss ein paar Artikel schreiben. Deswegen rufe ich an.«
»Aber vielleicht ein andermal?«
»Vielleicht, vielleicht. Wurden schon Spuren gefunden?«
»Moment mal kurz«, sagte er und klang auf einmal völlig nüchtern.
Es klapperte und polterte dermaßen, dass sie den Stöpsel aus dem Ohr nehmen musste.
»Hallo?«, sagte er. Das Wummern war weg, stattdessen hörte man jetzt Verkehrslärm.
»Wir waren bei den Spuren«, sagte Annika.
»Es gibt eine ganze Menge Anhaltspunkte«, sagte Niklas Linde. »Reifenspuren von zwei Transportfahrzeugen, beide Fahrzeugtypen sind identifiziert. Fußspuren von drei Tatverdächtigen, so dass die Schuhgrößen schon mal feststehen. Es gibt auch noch andere Spuren, auf die kann ich aber aus ermittlungstechnischen Gründen nicht näher eingehen.«
»Also ist die Polizei zuversichtlich, dass sie dieses Verbrechen aufklären kann?«
»Das ist nur eine Frage der Zeit«, erwiderte Linde. »Haben Sie schon was gegessen?«
»Äh, nein, aber …«
»Wo wohnen Sie?«
»Im Hotel Pyr, das liegt …«
»Echt, Sie sind im Pyr? Ich sitze in der Sinatra Bar unten am Hafen, das ist nur dreihundert Meter entfernt. Soll ich Ihnen eine kleine Stärkung raufbringen?«
Gegen ihren Willen musste sie lachen.
»Keine Chance, mein Lieber«, sagte sie. »Gute Nacht.«
Sie beendete das Gespräch, griff zum Hörer des Hoteltelefons und rief die Rezeption an.
Das Hotel hatte keinen Zimmerservice, thank you very much .
Die Minibar war voll mit schweineteuren Alkoholika, aber ganz hinten fand sie zwei Schokoladenkekse und eine staubige Dose mit gerösteten Mandeln. Sie stopfte alles in sich hinein, während sie ihren Artikel über die Gasmorde schrieb.
Sie berief sich auf anonyme Quellen aus Ermittlerkreisen und berichtete, wie die Einbrecher, drei Personen in zwei Fahrzeugen, das Tor zum Grundstück der Familie Söderström um 03 . 34 Uhr geöffnet hatten, zum Aggregat der Klimaanlage auf der Rückseite der Villa vorgedrungen waren und das noch unbekannte Gas in den Schacht für die Frischluftzufuhr eingeleitet hatten. Sie schilderte die Theorie der Polizei, wie die Familie mit Panik reagiert hatte, als ihnen aufging, dass sie vergast werden sollten: Wie sie vom Gasalarm aufgewacht waren, den Rauch oder Nebel aus der Belüftungsöffnung quellen sahen, wie der Vater versucht hatte, die Öffnung mit Hilfe einer Decke abzudichten, während die Mutter zur Tür eilte, um die Kinder hereinzulassen. Wie sie in Sekundenschnelle gelähmt waren und nach kurzem Todeskampf ihren Vergiftungen erlagen. Wie die Einbrecher, oder besser gesagt die Mörder, anschließend die Wand aufstemmten, den Tresor herausrissen und mitnahmen, danach alle Wertgegenstände aus dem Haus schafften und wegfuhren.
Annika beschrieb Aussehen und Lage der Leichen, wie sie von der Haushaltshilfe vorgefunden worden waren, erläuterte die sichergestellten Spuren der Täter und dass es angeblich »nur eine Frage der Zeit« sei, bis man die Schuldigen fassen werde.
Abschließend fügte sie eine Spalte mit Fakten über K.o.-Gase hinzu, die bei Einbrüchen verwendet wurden:
Hexan: Üblicherweise in der Industrie eingesetztes Lösungsmittel, aber auch Bestandteil von Benzin und leichtem Heizöl. Wahrnehmbarer Geruch. Um einen Menschen zu betäuben, sind große Mengen erforderlich.
Isopropanol: Lösungsmittel, unter anderem enthalten in Frostschutzsprays, Desinfektions- und Reinigungsmitteln. Charakteristischer, deutlich wahrnehmbarer Geruch. Um einen Menschen mit Isopropanol zu betäuben, reichen Mengen im Hektogramm-Bereich.
Kohlendioxid: Natürlicher Bestandteil der Atmosphäre mit zirka 0 , 03 Volumenprozent. Zur Betäubung eines Menschen sind große Mengen im Kilogramm-Bereich nötig. Vermutlich würde beachtlicher Lärm entstehen, wenn man solche Mengen schnell in einen Raum pumpen würde.
Narkosegase: Werden als medizinische Anästhesiemittel eingesetzt, beispielsweise Enfluran und Isofluran. Schnell wirkend, Narkose tritt bereits bei 1 - 2 % Sättigung der Atemluft ein. Zufuhr von mehr als 2 % bedeutet Lebensgefahr.
Lachgas: Findet Anwendung in der Medizin, aber auch beim »Frisieren« von Automotoren, da es die Motorleistung steigert. Um einen Menschen zu betäuben, ist ein relativ hoher Gehalt von 65 – 70 Volumenprozent nötig.
Möchte mal wissen, wie sich die Einbrecher geschützt haben, um nicht selbst an dem Gas zu krepieren, dachte Annika. Vielleicht
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