Kalter Süden
einen vorbeigehenden Mann zurück, der gerade auf dem Weg zum Green war. Er trug ebenfalls ein Piquéhemd, nur in Hellgrün.
»He, Sverre, hast du schon gehört? Sie wollen eine Gedenkminute für Sebastian Söderström halten. Wir sollen hier andächtig stehen und um ihn trauern.«
Sverre lief rot an.
»Dieser Scheißkerl«, schimpfte er, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück ins Restaurant.
Annika sah ihm verwundert nach.
»Was denn für Phantasieprojekte?«, fragte sie.
Der Mann lachte amüsiert.
»Die Einführung des neuen Weltsports Stockball zum Beispiel. Haben Sie etwa noch nie davon gehört? Merkwürdig. Oder die Rennbahn, die in der Sierra Nevada gebaut werden sollte? Die dann aber, wie sich herausstellte, mitten in einem Nationalpark lag? Und dann war da noch dieser Tennisclub …«
»Ich dachte, Sebastian Söderström hätte finanziell ganz gut dagestanden«, sagte Annika und bemerkte, wie weitere Gäste die Terrasse verließen.
»Es war ja auch nicht sein Geld, das er verloren hat, sondern das der anderen. Sonst hätte er dieses Spiel nicht so lange treiben können. Und der Tennisclub ist wirtschaftlich gesehen ein schwarzes Loch. Wenn man Siegesprämien in Millionenhöhe bei Clubmeisterschaften auslobt … Sie können sich ja vorstellen … Sonja!«
Der Mann eilte die Treppe hinunter und einer Frau mit rosafarbener Mütze hinterher. Annika beobachtete, wie die beiden ein paar Sätze miteinander sprachen und die Frau plötzlich ganz aufgeregt wirkte. Sie wandte sich um und ging in Richtung Rezeption davon.
»Entschuldigen Sie«, sagte Annika und trat ihr in den Weg, als sie vorbeiwollte. »Kannten Sie Sebastian Söderström?«
»Darauf können Sie Gift nehmen«, zischte die Frau und versuchte, an ihr vorbeizukommen.
Annika machte zwar einen Schritt zur Seite, hielt sie jedoch zurück.
»Könnten Sie mir nicht beschreiben, wie er war?«, bat sie.
Die Frau mit Namen Sonja nahm ihre Sonnenbrille ab. Ihr Gesicht trug Spuren diverser chirurgischer Eingriffe, vor allem um die Augen.
»Sebastian Söderström war nichts als Fassade«, sagte sie. »Er wollte ein Star sein, er war süchtig nach Applaus, tat aber nichts dafür. Er wollte nur die Belohnung.«
»Inwiefern? Ich verstehe nicht ganz …«, sagte Annika.
»Er hatte einen Einfall, schwatzte den Leuten einen Haufen Geld ab und führte mit den Investitionen anderer ein Luxusleben, bis es ihm langweilig wurde. Dann fing er etwas Neues an. Suchte sich neue Investoren, lieh sich wieder Geld, polierte seine Fassade und tat so, als sei er ein Star.«
»Aber war er das denn nicht?«
»Das«, sagte die Frau, und ihre operierte Nase näherte sich Annikas Gesicht, »ist Ewigkeiten her.«
Dann zwängte sie sich vorbei und verließ den Golfclub.
Annika ließ ihren Blick über die Greens, die Enten und die kleinen Golfcarts schweifen.
Wie sollte sie damit umgehen? So tun, als hätte sie nichts gehört? Oder sollte sie die Wahrheit schreiben? Dass die Leute lieber ihren Drink stehen ließen, als eine Schweigeminute für Sebastian Söderström einzulegen?
Eishockeyhelden, dachte sie. Darum bin ich hier.
Sie schluckte und suchte mit dem Blick die Menschenmenge ab.
»Sehen Sie mittlerweile irgendeinen bekannten Sportler?«, fragte sie Carita, und im selben Augenblick entdeckte sie einen der größten NHL -Stars, einen Typen aus Norrland, der gerade mit einem amerikanischen Club einen Vertrag über eine Viertelmilliarde Kronen abgeschlossen hatte.
»Den muss ich haben«, sagte Annika und drängte sich durch die Menschenmenge.
Der Hockeystar hatte noch ein paar Kumpel dabei. Zwei von ihnen waren bei der Fußball- WM 1994 beim Kampf um Bronze dabei gewesen, und der dritte hatte diverse schlechte schwedische Spielfilme produziert.
»Ich bin vom Abendblatt «, stellte Annika sich vor. »Darf ich ein Foto machen?«
Der Hockeystar sah sich um.
»Was ist denn hier los? Warum sind hier so viele Leute?«
»Gedenkminute für Sebastian Söderström«, erklärte Annika, hob die Kamera und knipste drauflos.
Klick, klick, klick .
»Oh, Shit«, sagte einer der Fußballer.
»Kannten Sie ihn?«, fragte Annika.
»Ja, klar«, sagte der Hockeystar. »Wir haben eine Saison in der schwedischen Nationalmannschaft zusammen gespielt.«
»Wie haben Sie ihn in Erinnerung?«
Der Hockeystar fuhr sich durchs Haar.
Klick, klick, klick .
»Tja«, sagte er zögernd, »er war seinerzeit ein guter Abwehrspieler. Er hatte hier irgendwo ein Haus, aber ich weiß
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