Kalter Süden
schlecht«, erklärte Lenita Söderström.
»Was arbeiten Sie?«, fragte Annika.
»Ich bin in der Hotelbranche«, erwiderte Lenita Söderström und bestellte ein weiteres Glas Wein. »Ich kümmere mich um die Buchhaltung, Budget- und Personalkonten. Eine anstrengende Arbeit.«
Sie nannte den Namen eines Hotels, von dem Annika noch nie gehört hatte.
»Wenn Suzette früher schon mal weg war, wie lange hat es dann gedauert, bis sie von sich hören ließ?«
Lenita schloss die Augen, und ihre Schultern sanken herab, der Wein hatte sie offenbar ein wenig entspannt.
»Einen Tag«, sagte sie. »Einmal war sie auch über Nacht weg. Sie hatte bei einer Freundin geschlafen, bei Polly, ohne mir Bescheid zu sagen. Danach haben wir das besprochen, sie weiß, wie viel Sorgen ich mir mache.«
Annika schaute auf ihren Block. Sie hatte auf eine andere Antwort gehofft. Sie hatte gehofft, dass Suzette schon öfter für mehrere Tage abgetaucht war, ohne sich zu melden, dass sie eine erfahrene Ausreißerin war, die in allen Situationen zurechtkam.
Doch der Fall lag anders, und mittlerweile war sie schon seit einer Woche verschwunden.
»Hat Suzette mal eine Freundin namens Amira oder Samira erwähnt?«, fragte sie.
»Sie erzählt mir nie etwas.«
»Wann wurde Ihnen klar, dass sie verschwunden ist?«
»Als ich mit der Dänin vom Reitstall gesprochen habe«, antwortete Lenita Söderström.
Also als Annika den Hörer an Vibeke Jensen weitergereicht hatte.
»Und dann haben Sie sofort einen Flug hierher gebucht?«
»So eine Auslandsreise ist zwar teuer, aber was bleibt einem denn anderes übrig?«
»Und was haben Sie jetzt vor?«
»Nach meinem Mädchen zu suchen«, sagte Lenita Söderström, und dann liefen die Tränen endgültig über.
Annika ließ sie ein paar Minuten weinen. Dann legte sie der Frau die Hand auf den Arm.
»Passen Sie auf, wir machen es so«, schlug Annika vor. »Ich schreibe einen Artikel, in dem ich davon berichte, dass Sie hier sind und nach Suzette suchen. Wir rufen Suzette und alle, die möglicherweise mit ihr in Kontakt waren, dazu auf, sich bei der Polizei zu melden. Ich werde schreiben, dass sie noch nie so lange verschwunden war, das stimmt doch?«
Lenita Söderström schnäuzte sich in ihre Serviette und nickte.
»Suzette ist ja ein vielversprechendes Sporttalent«, sagte Annika. »Sie ist eine gute Reiterin und könnte ein echtes Tennis-Ass werden …«
Die Frau lachte müde.
»Wissen Sie, was Reitstunden kosten? Na, als ich gesagt habe, dass ich es mir nicht leisten kann, da kam diese Astrid an und winkte mit dem Portemonnaie. Aber die ganze Fahrerei! Zum Reitstall dauerte es mit dem Auto eine Stunde hin und eine zurück, und als sie dann alt genug war, um allein zu fahren, musste ich die Bahn- und Busfahrkarten bezahlen …«
»Sie sagten, dass Suzette bei einer Freundin übernachtet hat, als sie damals nicht nach Hause kam. Wie heißen denn ihre bes-ten Freundinnen?«
Lenita nannte vier Namen von Mädchen, die alle dieselbe Oberstufenklasse auf der Blackebergsskolan besuchten.
»Hat sie einen Freund?«
»Suzette ist vorsichtig, was Jungs angeht«, erklärte Lenita und gab der Kellnerin ein Zeichen. »Sie hat ja gesehen, wie es mir ergangen ist.«
»Kommt Suzette gut mit ihren Freunden zurecht? Gefällt es ihr in Bromma?«
»Bromma ist eine gute Wohngegend«, sagte Lenita. »Ich weiß, es ist nicht Marbella, aber ich arbeite hart, um das Geld zusammenzukriegen, damit wir in der Långskeppsgatan wohnen können.«
»Warum wollte sie nach Marbella zu ihrem Vater ziehen?«
»Suzette war die Schule leid, aber ich habe ihr die Wahrheit gesagt, dass man nämlich eine Ausbildung haben muss, wenn man etwas aus seinem Leben machen will. Ich kann sie nicht den Rest ihres Lebens versorgen. Und Sebastian hätte das auch nicht getan, auch wenn er im Geld schwamm.«
»Aber sie ist doch aufs Gymnasium gegangen?«
»Aufs Sportgymnasium«, schnaubte Lenita verächtlich. »Was soll das für eine Ausbildung sein?, habe ich sie gefragt. Den ganzen Tag Tennis spielen? Ich verstehe das nicht. Ich finde, sie hätte den Wirtschaftszweig wählen sollen, dann hätte sie irgendwann mal einen guten Job bekommen. Sie hätte vielleicht in der Hotelbranche anfangen können, zumindest aushilfsweise, im Sommer, zu Weihnachten und über Neujahr werden immer Leute gebraucht.«
»Aber sie ist zu ihrem Vater gezogen, weil sie … ja, was? Weil sie Tennis spielen wollte? Jobben?«
Lenita Söderström beugte sich
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