wenig zu weit aufgerissen, sie hielt den Kopf leicht schräg, das schwarze Haar stand wild nach allen Seiten ab. Die Perspektive wirkte ein bisschen verzerrt, wahrscheinlich hatte sie das Bild mit einer Webcam aufgenommen.
Auf der rechten Seite konnte man unter vier Alternativen wählen: Send a Message, Poke Her!, View Friends und Add as Friend.
Sie klickte auf View Friends und stieß einen überraschten Pfiff aus.
Suzette hatte über zweihundert Freunde. Sie füllten fünf ganze Seiten mit Namen und Fotos in alphabetischer Reihenfolge, jeweils versehen mit einer kurzen Information. Alle waren jung. Alle stammten aus Schweden. Schon auf der ersten Seite fand sie Amanda Andersson. Da sie nun auch selbst ein angemeldetes Mitglied der big fat Facebook-Community war, brauchte sie bloß auf das Bild der kleinen Amanda zu klicken und ihr eine Nachricht zu schreiben. Schwups, schon wirbelte die Message durch den Cyberspace und würde hoffentlich mit einem Telefonat oder einer Mail beantwortet.
Dann blätterte sie weiter durch die Freundesliste und fand sowohl Klara, die mit Nachnamen Evertsson-Hedberg hieß, als auch Sandra Holgersson, an die sie ebenfalls eine Nachricht schickte. Auf der vorletzten Seite fand sich schließlich noch Polly Sandmann, eigentlich Paulina, mit demselben Gesichtsausdruck und rabenschwarzen Haar wie Suzette, aufgenommen aus derselben Perspektive.
Die haben ihre Bilder zusammen gemacht, dachte Annika, mit derselben Webcam. Vielleicht hatten sie ihre Konten im Doppelpack eingerichtet und sammelten ihre Freunde gemeinsam. Das hier war also Suzettes beste Freundin.
Sie schrieb ihr ebenfalls. Diese Mitteilung war ein wenig länger und ausführlicher als die an die anderen Mädchen. Sie erklärte, wer sie war, dass sie vorhabe, in der Zeitung über Suzette zu berichten, und nicht wolle, dass etwas falsch dargestellt werde, und dass es wichtig sei, auch Suzettes Freundinnen zu Wort kommen zu lassen.
Dann ging sie alle Freunde noch einmal durch.
Keine Amira, Samira oder Akira.
Sie rief Niklas Linde an, erreichte ihn jedoch nicht, also versuchte sie es stattdessen bei Knut Garen.
Die Polizei hatte bis jetzt nicht die geringste Spur von Suzette, teilte der Norweger mit. Der Suchbereich war auf einen Radius von vier Kilometern rund um das Haus der Familie Söderström ausgeweitet worden. Das beinhaltete auch Teile eines naturbelassenen Nationalparks mit tiefen Schluchten und hohen Wasserfällen. Außerdem versuchte man ihr auf die Spur zu kommen, indem man ihre Computerfestplatte durchforstete und ihre Freunde und Nachbarn befragte, ebenso das Personal diverser Bars in Nueva Andalucía.
Annika vervollständigte ihren Artikel mit ein paar Zeilen über die fruchtlose Suche der Polizei, beschrieb Suzette als vielversprechende Tennisspielerin, die häufig in Papas Club trainiert hatte, und erwähnte, dass ihr Trainer einst die Nummer 38 der Tennisweltrangliste gewesen war und dass er Suzette eine mindestens ebenso erfolgreiche Karriere voraussagte.
Dann mailte sie den Text und das schlechte Bild von Lenita an
[email protected] .
Schließlich nahm sie sich Caritas Wegbeschreibung vor, die einzig und allein aus Hinweisen auf Reklameschilder, Bars und Restaurants bestand, da es keine Straßennamen zu geben schien. »Hinter Mercadona rechts abbiegen, am OpenCor vorbei und dem Straßenverlauf nach links folgen …«
Auf dem Weg zum Auto fragte sie an der Rezeption nach der Nummer von Taxi Marbella.
Nur für den Fall, dass sie sich verfuhr.
Das Portal zur Siedlung war nicht ganz so protzig wie das in Las Estrellas, aber nicht weit davon entfernt.
Carita Halling Gonzales’ Reihenhaussiedlung lag hoch oben am Berg, gleich oberhalb eines Golfplatzes. Lampen und Straßenlaternen zogen sich wie ein Fluss aus Licht bis zum Meer hinunter, wo sich der Hafen von Puerto Banús wie eine Tausendwattleuchte im Mondlicht erstreckte. Sie klingelte an der Gegensprechanlage von Haus Nummer 6 und wartete im Wagen, bis das obligatorische Tor zur Seite glitt.
Drinnen eröffnete sich eine Welt, die in Natürlichkeit und Einzigartigkeit dem Golfclub Los Naranjos Konkurrenz machte. Die Häuser standen in kleinen Dreier- oder Vierergruppen beisammen. Alle sahen verschieden aus: rosa oder hellblau, ockergelb oder dunkelrot, mit Balustraden, Terrassen und Balkonen. Ein Swimmingpool mit zwei Wasserfällen und großen Steinpartien lag talwärts am Hang. Verschnörkelte Laternen, wie in London zur Zeit der