Kalter Süden
legte die Arme um ihn und küsste ihn innig auf beide Wangen. Ihr Spanisch klang wie das Wassergeplätscher auf der Straße.
»Das hier ist meine Freundin Annika«, sagte er auf Englisch, und die Frau wandte sich ihr zu. Das Lächeln schien leicht zu erstarren.
»Una mesa para dos« , sagte sie dann, drehte sich um und steuerte den hinteren Teil des Lokals an.
Annika und Niklas folgten ihr.
Sie bekamen den Tisch ganz hinten in der Ecke. Mit einem gelben Bic-Feuerzeug zündete die Frau eine Kerze an, reichte ihnen zwei abgegriffene spanische Speisekarten und segelte in Richtung Bar davon.
»Wie gut kennst du sie?«, fragte Annika.
Es glitzerte in den Augen des Polizisten.
»Ziemlich gut«, antwortete er und studierte die Karte.
Annika fühlte sich merkwürdig herabgesetzt. Sie griff nach der eingeschweißten Speisekarte und starrte auf die Worte, ohne sie wahrzunehmen. Sie mochte die schöne Spanierin nicht.
»Was hat die Suche nach Suzette ergeben?«, fragte sie und bemühte sich, ihre Stimme leicht und unbeschwert klingen zu lassen.
»Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Nach Angaben ihres Mobilfunkanbieters war ihr Handy seit letztem Donnerstag nicht mehr angeschaltet. Soll ich für dich bestellen?«
Annika ließ die Karte auf die Tischdecke sinken.
»Por favor.«
Der Polizist bestellte eine ganze Reihe von kleinen Gerichten, die nach und nach auf den Tisch kamen, so, wie sie in der Küche fertig wurden. Niklas Linde trank ein Bier, Annika nahm agua con gas .
»Können wir über die Beschlagnahmung der Drogen sprechen?«, fragte sie, als sich ihre Teller leerten. »Ich brauche noch ein bisschen Stoff, wenn ich einen ganzen Artikel darüber schreiben soll.«
Niklas Linde bohrte mit einem Zahnstocher zwischen seinen Zähnen herum und dachte einen Augenblick nach.
»Wenn du mir verrätst, was mit deinem Finger passiert ist«, sagte er und deutete auf ihre linke Hand.
Sie zögerte, sah jedoch keinen Grund, sich zu zieren.
»Im Winter haben mich zwei Männer in eine Gasse gezogen und ihn zerschnitten«, erzählte sie. »Sie wollten, dass ich die Finger von einer Sache lasse, die ich damals recherchiert habe.«
»Weißt du, wer es war?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Soll ich es für dich rausfinden? Sie fangen und verhauen?«
Sie lächelte ihn an.
»Hat deine Kamera einen Blitz?«, fragte er.
»Natürlich.«
Er schaute auf seine Armbanduhr.
»Du könntest bei einem Einsatz dabei sein, wenn du willst«, sagte er. »Wir wollen später versuchen, noch einen von den Kerlen einzusammeln. Aber du musst dich im Hintergrund halten, und auf den Bildern darf kein Polizist zu identifizieren sein.«
Ihr Puls wurde eine Spur schneller.
»Eine Razzia«, sagte sie, »heute Nacht?«
Er beugte sich vor.
»Es ist so«, sagte er und senkte die Stimme, obwohl sie garantiert die einzigen schwedischsprachigen Gäste waren. »Greco, die Drogenfahndung der Spanier, hatte Wind von zwei Ladungen Koks bekommen, die gleichzeitig im Hafen von Algeciras angeliefert werden sollten. Jeweils in einem Kühltransporter mit Früchten aus Südamerika: zum einen die Melonen aus dem Lager von Apits in La Campana und zum anderen ein Container mit Apfelsinen aus Argentinien.«
»Und wo sind die Apfelsinen jetzt?«
Niklas Linde lächelte schief.
»Das ist es ja«, sagte er. »Die Apfelsinen sind mit einem Lkw unterwegs nach Malmö.«
»Aber ihr habt die Ladung ausgetauscht«, sagte Annika.
»Wir haben einen Peilsender am Wagen angebracht, die Ladung konnten wir allerdings nicht austauschen. Das ist ein Vabanquespiel. Die Kollegen von Greco drüben in Málaga können die Position des Transports auf zehn Meter genau bestimmen. Das Problem ist nur, dass die Empfänger nervös geworden sind. Sie wissen, dass die eine Hälfte beschlagnahmt worden ist, und sie gehen davon aus, dass mit der anderen auch etwas nicht stimmt.«
»Okay«, sagte Annika und blätterte eine neue Seite in ihrem Block auf. »Sag mir, was in dem Artikel stehen soll.«
»Dass Greco die beschlagnahmte Ladung schon seit Monaten verfolgt …«
»Greco … wofür steht die Abkürzung noch gleich?«
Niklas Linde sah sie gereizt an.
»Was spielt das denn jetzt für eine Rolle? Sie haben zugeschlagen, als die Ladung eingetroffen und bereit zum Weiterversand war, und so haben sie sowohl die Empfänger als auch die Lieferanten zu fassen gekriegt.«
»Und wann war das?«
»Donnerstagmorgen, am 30 . Dezember.«
»Wie ist das genau abgelaufen?«
Niklas Linde
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