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Kalter Tod

Kalter Tod

Titel: Kalter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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    »Also schön, Jesse«, sagte er, nachdem der Junge die Verzichterklärung unterschrieben hatte. »Sie werden mir jetzt erzählen, was Sie oben am Aussichtspunkt gesehen und gehört haben. Wenn Sie die Wahrheit sagen und uns behilflich sind, werde ich sämtliche Anklagepunkte fallen lassen, und Sie können diesen Raum als freier Mann verlassen.«
    Genau genommen übertrieb Bosch seine Kompetenzen. Er war nicht befugt, Anklagepunkte fallen zu lassen oder mit Verdächtigen Abmachungen zu treffen. Aber das spielte in diesem Fall keine Rolle, weil gegen Mitford noch wegen nichts Anklage erhoben worden war. Darin bestand Boschs Druckmittel. Letztlich war es eine Frage der Formulierung. Was Bosch Mitford in Wirklichkeit anbot, war, dass er als Gegenleistung für seine uneingeschränkte Kooperation keine Anklage gegen ihn erheben würde.
    »Okay«, sagte der junge Kanadier.
    »Und nicht vergessen: nur die Wahrheit. Nur, was Sie gesehen und gehört haben. Sonst nichts.«
    »Alles klar.«
    »Heben Sie die Hände.«
    Mitford hob die Hände, und Bosch nahm ihm mit seinem Schlüssel die Handschellen ab. Mitford begann sofort, seine Handgelenke zu massieren, um die Blutzirkulation in Gang zu bringen. Es erinnerte Bosch an Alicia Kent, die wenige Stunden zuvor das Gleiche getan hatte.
    »Besser so?«, fragte er.
    »Ja, unbedingt«, antwortete Mitford.
    »Okay, dann lassen Sie uns ganz von vorn anfangen. Erzählen Sie mir, von wo Sie gekommen sind, wohin Sie wollten und was genau Sie dort oben am Aussichtspunkt gesehen haben.«
    Mitford nickte und setzte dann zu einer 20-minütigen Geschichte an, die mit dem Kauf eines Star-Stadtplans von einem Straßenverkäufer am Hollywood Boulevard und einem langen Fußmarsch in die Hügel hinauf begann. Seine Wanderung dauerte fast drei Stunden und war vermutlich die Hauptursache des Geruchs, den sein Körper verströmte. Er erzählte Bosch, dass es bereits dunkel wurde, als er oben am Mulholland Drive ankam, und dass er müde war. In dem Haus, in dem laut seinem Stadtplan Madonna wohnte, brannte kein Licht. Es schien niemand zu Hause zu sein. Enttäuscht beschloss er, sich von seiner langen Wanderung auszuruhen und zu warten, ob die Sängerin, die er kennenlernen wollte, vielleicht später noch nach Hause käme. Er fand hinter ein paar Büschen eine Stelle, wo er sich an die Außenseite der Mauer lehnen konnte, die das Zuhause seiner Beute – dieses Wort verwendete er allerdings nicht – umgab, und wartete. Mitford sagte, er sei eingeschlafen, bis ihn etwas geweckt habe.
    »Was hat Sie geweckt?«, fragte Bosch.
    »Stimmen. Ich hörte Stimmen.«
    »Was wurde gesprochen?«
    »Keine Ahnung. Ich wurde nur von ihnen geweckt.«
    »Wie weit waren Sie vom Aussichtspunkt entfernt?«
    »Keine Ahnung. Etwa hundert Meter, schätze ich. Ich war ziemlich weit weg.«
    »Was wurde gesprochen, nachdem Sie aufgewacht waren und alles hören konnten?«
    »Nichts. Sie hörten auf zu reden.«
    »Na schön, und was haben Sie gesehen, als Sie wach waren?«
    »Ich sah drei Autos auf dem Aussichtspunkt stehen. Eins war ein Porsche, die anderen zwei waren größer. Ich weiß nicht, was für Modelle genau, aber sie sahen ziemlich ähnlich aus.«
    »Haben Sie die Männer auf dem Aussichtspunkt gesehen?«
    »Nein, gesehen habe ich niemand. Es war schon dunkel. Aber die Stimme habe ich wieder gehört. Sie kam vom Aussichtspunkt, aus dem Dunkeln. Es war mehr ein Schrei. Und als ich darauf in diese Richtung schaute, blitzte zweimal etwas auf, wie zwei Schüsse. Ich konnte jemanden auf dem Aussichtspunkt knien sehen. In den Lichtblitzen, wissen Sie. Aber sie waren so kurz, dass das alles war, was ich sehen konnte.«
    Bosch nickte.
    »Sehr gut, Jesse. Sie machen das sehr gut. Aber lassen Sie uns den Ablauf trotzdem noch mal durchgehen, damit wir auch alles richtig haben. Sie haben geschlafen, und dann hat Sie eine Stimme geweckt, und Sie haben in die Richtung geschaut, aus der sie kam, und die drei Autos gesehen. Habe ich das richtig verstanden?«
    »Ja.«
    »Okay, gut. Dann haben Sie nach einer Weile wieder eine Stimme gehört und in Richtung Aussichtspunkt geschaut. In diesem Moment fielen die Schüsse. Ist das so weit alles richtig?«
    »Ja.«
    Bosch nickte. Aber ihm war klar, dass Mitford ihm möglicherweise nur erzählte, was er glaubte, dass er hören wollte. Um sich zu vergewissern, dass dem nicht so war, müsste er ihn bei Gelegenheit auf die Probe stellen.
    »Sie haben gesagt, Sie

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