Kalter Tod
Polizeichef nickte.
»Neben meiner Position bei der Polizei sitze ich auch in der Joint Terrorism Task Force. Ich kann ein paar Anrufe machen, ein bisschen Stunk machen und wahrscheinlich ein Fenster öffnen. Aber wie gesagt, wir haben bereits Captain Hadleys Einheit darauf angesetzt, und vielleicht gelingt es ihm, die Kommunikationskanäle zu öffnen. In der Vergangenheit wurden wir in solchen Fällen immer außen vor gelassen. Ich kann mich auf jeden Fall dafür stark machen und mich mit dem Direktor in Verbindung setzen.«
Für Bosch hörte sich das so an, als wollte sich der Chief für ihn einsetzen.
»Wissen Sie, was Reflux ist, Detective?«
»Reflux?«
»Das ist, wenn einem die Galle in die Kehle hochsteigt. Brennt ziemlich, Detective.«
»Aha.«
»Was ich damit sagen will: Wenn ich diese Schritte unternehme und Ihnen dieses Fenster öffne, möchte ich keinen Reflux? Haben Sie mich verstanden?«
»Ja, habe ich.«
Der Chief wischte sich wieder den Mund ab und legte die Serviette auf seine aufgerissene Tüte. Als er dann alles zu einer Kugel zerknüllte, achtete er darauf, keinen Puderzucker auf seinen schwarzen Anzug zu streuen.
»Ich werde die entsprechenden Anrufe machen, aber es wird nicht einfach sein. Die politische Komponente sehen Sie hier nicht, oder, Bosch?«
Bosch sah ihn an.
»Sir?«
»Den Gesamtzusammenhang, Detective. Sie sehen das hier als Ermittlungen in einem Mordfall. In Wirklichkeit ist es aber erheblich mehr. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass es der Bundesregierung sehr zupass kommt, dass dieser Vorfall oben am Aussichtspunkt eine terroristische Komponente hat. Eine Bedrohung der inneren Sicherheit trüge einiges dazu bei, die öffentliche Aufmerksamkeit von anderen Problemzonen abzulenken. Der Krieg war ein Schuss, der nach hinten losging, die Wahl war eine Katastrophe. Wir haben die Nahostkrise, die steigenden Benzinpreise und die Umfragewerte des Präsidenten. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, und das hier wäre eine hervorragende Gelegenheit, um wieder einmal zu punkten. Eine Chance, vergangene Fehler auszubügeln. Eine Chance, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf etwas anderes zu lenken und einen Stimmungsumschwung herbeizuführen.«
Bosch nickte.
»Wollen Sie damit sagen, sie könnten versuchen, diese Sache bewusst aufzubauschen, die Bedrohung möglicherweise sogar hochzuspielen?«
»Ich sage gar nichts, Detective. Ich versuche lediglich, Ihren Horizont zu erweitern. In einem Fall wie diesem muss man sich einfach des politischen Umfelds bewusst sein. Da können Sie nicht herumtrampeln wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen – was bisher Ihre Spezialität war.«
Bosch nickte.
»Und nicht nur das«, fuhr der Polizeichef fort. »Sie müssen auch die lokalpolitische Situation berücksichtigen. Wir haben einen Mann im Stadtrat sitzen, der nur darauf wartet, mich abzusägen.«
Damit spielte der Polizeichef auf Irvin Irving an, der dem LAPD lange Zeit in führender Position angehört hatte und vom Chief aus dem Amt gedrängt worden war. Er hatte für einen Stadtratssitz kandidiert und gewonnen. Jetzt war er der schärfste Kritiker der Polizei und des Chief.
»Irving?«, sagte Bosch. »Er hat nur eine Stimme im Stadtrat.«
»Er kennt eine Menge Geheimnisse. Das hat ihm ermöglicht, sich eine politische Basis zu schaffen. Er hat mir nach der Wahl eine Nachricht geschickt. Sie bestand nur aus vier Worten. ›Rechnen Sie mit mir.‹ Passen Sie also auf, dass er sich das nicht zunutze machen kann, Detective.«
Der Polizeichef stand auf, um zu gehen.
»Beherzigen Sie das, und seien Sie vorsichtig«, sagte er. »Also, kein Reflux. Kein Rückstoß.«
»Ja, Sir.«
Der Polizeichef drehte sich um und nickte seinem Fahrer zu. Der Mann ging zur Tür und hielt sie seinem Schützling auf.
13
Bosch sagte kein Wort, als er einstieg und vom Parkplatz fuhr. Er war der Ansicht, dass der Hollywood Freeway um diese Tageszeit wegen des morgendlichen Berufsverkehrs dicht wäre und dass sie auf den normalen Straßen besser vorankämen. Er glaubte, auf dem Sunset Boulevard kämen sie am schnellsten in die Stadt.
Ferras hielt nur zwei Blocks weit durch, bis er fragte, was im Doughnut Shop passiert sei.
»Keine Angst, Ignacio. Wir haben unseren Job noch.«
»Und was ist passiert?«
»Er hat gesagt, Sie hätten recht. Ich hätte die Befehlskette nicht überspringen dürfen. Aber er hat auch gesagt, er würde ein paar Anrufe machen und versuchen, beim
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