Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
dem Kinn auf Eiríkur und den Wärter. »Schick sie raus.«
»Du weißt, dass ich das nicht kann«, entgegnete Gunna sanft.
»Nur du und ich«, fauchte er mit zurückgezogenen Lippen und entblößte verfärbte Zähne.
Gunna sah den Wachposten fragend an, aber der schüttelte den Kopf. Sie seufzte.
»Vielleicht können wir eine Runde im Hof spazieren gehen«, sagte sie schließlich. »Können wir das?«, fragte sie den Wachposten.
***
Eine Viertelstunde später drehten Gunna und Ommi ihre erste Runde im Hof. Eiríkur und der Wachposten folgten ihnen in gebührendem Abstand. Der schneidende Nordwind ließ Gunna erschaudern, obwohl sie sich eine dicke Jacke geliehen hatte. Ommi schien die Kälte durch seinen Kapuzenpulli aus Fleece nicht zu spüren.
»Erzähl mir, was in jener Nacht im Blacklights passiert ist. Was wirklich passiert ist«, sagte Gunna.
»Ich weiß nicht alles. Da war dieser Typ, mit dem Sindri irgendein Problem hatte. Sindri ist aufbrausend, genau wie sein alter Herr, und als er den Typen gesehen hat, ist er ausgerastet. Sie haben gestritten, und ein paar Leute haben sie wieder beruhigt, das war’s dann. Sindri war verdammt wütend. Er hatte Kokain geschnupft und die ganze Zeit getrunken. Er war richtig high.«
»Also hattest du keinen Streit mit dem Mann?«
»Nein. Ich hab es nicht mal mitbekommen.«
»Was ist dann passiert, was meinst du?«
»Ich vermute, dass Sindri diesen Steindór nach draußen auf den Parkplatz gezerrt und ihm eine Tracht Prügel verpasst hat. Er hat wohl nicht gewusst, wann er aufhören musste.«
»Wo warst du zu dem Zeitpunkt?«
»Bei Svana und dem Rest der Band. Sie waren gerade von der Bühne gekommen.«
»Und Óskar?«
»Ich glaube, er war mit Sindri draußen. Warum? Was hat Skari gesagt?«
»Was ist dann passiert?«, fragte Gunna und ignorierte die Frage.
»Scheiße, die Hölle brach los. Bjartmar hat die Musikanlage bis zum Anschlag aufgedreht und die Beleuchtung gedimmt. Überall waren Leute, sie haben getanzt wie verrückt, und der Lärm war Wahnsinn. Bjartmar und Sindri haben mich gesucht und schließlich gefunden. Sie haben Svana gesagt, sie soll wieder auf die Bühne gehen und die Stimmung weiter anheizen. Dann ist der alte Jónas aufgetaucht, Sindris Dad. Er machte ein Gesicht, als würde die Welt untergehen. Die drei haben mich dann unter Druck gesetzt.«
»Heißt das, sie machten dir ein Angebot, das du nicht ablehnen konntest?«
»Gewissermaßen. Jónas sagte, er hätte einen sehr wichtigen Auftrag für mich, die Sache wäre sehr dringend und müsste sofort erledigt werden.«
»Was war das für eine Sache?«
»Mehr hat er nicht gesagt. Ich sollte in seinen Mercedes steigen, und los ging’s.«
»Mitten in der Nacht?«
»Ja. Es wurde schon langsam hell. Wir fuhren direkt aus der Stadt heraus. Ich fahre nicht gerne weiter als bis nach Mosfellsbær, weißt du. Aber er fuhr bis zu diesem Sommerhaus und hat mich mit Selma dort gelassen. Sie sollte sich um mich kümmern. Er sagte, dass er am nächsten Morgen zurückkommen würde, und es wäre ein hübsches Sümmchen für mich drin.«
»Es war das Haus von Eygló Grímsdóttir, Selmas Mutter, in Skorradalur, richtig?«
»Ja. Ein hübsches Häuschen. Ich glaube, der alte Jónas hatte was mit Eygló laufen.«
»Kanntest du Eygló damals bereits?«
»Ja, schon. Selma und ich, wir haben ab und zu, na ja, du weißt schon. Daher kannte ich Eygló.«
Sie erreichten das Ende des Hofs und drehten wieder um. Gunnas Wangen brannten im scharfen Wind. Ommi kroch noch tiefer in seinen Fleecepulli.
»Und dann?«
»Ich blieb dort, und die kleine Selma leistete mir Gesellschaft. Am nächsten Tag, nachmittags, tauchte Jónas wieder auf und hatte Sindri im Schlepptau. Kurz darauf kam Eygló in ihrem BMW an und hatte Baddo dabei.«
»Ist das Bjartmar?«
»Ja. Sie schickten Selma ins obere Stockwerk, und dann legten die drei die Karten auf den Tisch.«
»Sie waren zu dritt?«
»Ja. Ich glaube, Eygló ging mit Selma.«
»Okay. Sprich weiter.«
Ommi runzelte die Stirn.
»Jónas erklärte, sie hätten ein Problem. Eine Straftat wäre begangen worden, die sie nicht unter den Teppich kehren könnten. Er sagte, sie bräuchten jemanden, der den Kopf dafür hinhält. Sie würde mich belohnen, außerdem gäbe es am Ende der Haftstrafe noch einen Bonus. Er fragte, ob ich interessiert wäre. Ich dachte, sie bräuchten jemanden, der ein paar Monate oder vielleicht ein Jahr absitzt. Also habe ich gesagt, für den
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