Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
gefordert wurden. Du hattest recht.«
»Mein lieber Schwan! Gibt es irgendeinen Hinweis auf dem Brief, dem wir nachgehen können?«
»Nein. Das Schreiben ist auf dem Weg in die Kriminaltechnik, aber ich glaube nicht, dass es uns weiterhelfen wird.«
***
Anna Fjóla Sigurbjörnsdóttir saß mit verkniffenem Gesicht am Empfang.
»Möchtest du mich sprechen?«, fragte Gunna überrascht.
»Ja. Aber nicht hier.«
»Oben gibt es einen Verhörraum, in den wir gehen können.«
Anna Fjóla reagierte verstimmt. »Ich bin doch keine Kriminelle.«
Noch nicht, dachte Gunna. Ihr war klar, dass es einen sehr guten Grund dafür geben musste, dass diese pedantische Frau höchstpersönlich aufs Präsidium gekommen war.
»Ich nehme an, du willst über eine heikle Angelegenheit sprechen?«
»Heikel und vertraulich.«
»Dann komm mit.«
Im Café Roma hatte Anna sich an den Tisch gesetzt, der am weitesten vom Fenster entfernt war, als Gunna mit einem Kaffeebecher und einer Teetasse von der Theke zurückkehrte.
»Nun, worüber willst du mit mir sprechen?«
»Über meinen Arbeitgeber, Jónas Valur Hjaltason.«
»Ja?«
»Er ist kein schlechter Mensch, weißt du.« Anna Fjóla zögerte. »Er ist ein guter Geschäftsmann, aber ansonsten … ist er schwach.«
»In welcher Hinsicht?«
»Was Frauen angeht.«
»Frauen wie Svana Geirs beispielsweise?«
»Ja«, flüsterte Anna Fjóla.
»Wie lange arbeitest du schon für ihn?«
»Seit neunzehn Jahren.«
»Dann erinnerst du dich an Steindór Hjálmarsson, nicht wahr?«
»Natürlich. Er war ein sehr angenehmer junger Mann. Es ist jammerschade um ihn.«
Anna Fjóla trank endlich einen Schluck Tee.
»Er hat ungefähr sechs Monate dort gearbeitet, soweit ich mich erinnern kann«, fuhr sie stockend fort. »Aber damals war die Firma noch wesentlich größer. Es gab die Exporte nach Spanien und Portugal, die wir heute noch haben, aber auch das Immobilien- und das Unterhaltungsgeschäft. Um diese Bereiche hat Sindri sich gekümmert. Damals gab es drei Buchhalter, außerdem mich und einige Mitarbeiter im Verkauf.«
»Und Sindri Valsson?«
Anna Fjóla sah abrupt auf und senkte schnell wieder den Blick auf ihre Teetasse.
»Wie sind Sindri und Steindór miteinander ausgekommen?«
»Nicht gut, aber auch nicht schlecht. Man konnte sehen, dass sie sich nicht mochten. Steindór hielt Sindri für einen verzogenen Bengel. Er gab sich keine große Mühe, seine Gefühle zu verbergen. Und Sindri war der Meinung, dass Steindór seine Nase in Dinge steckte, die ihn nichts angingen.«
Sie trank einen weiteren Schluck Tee und tupfte sich die Lippen mit einem Taschentuch ab.
»Ich denke, sie hatten beide recht«, fügte sie mit einem schwachen Lächeln hinzu.
»Warum bist du heute hier, Anna Fjóla?«, fragte Gunna freundlich.
»Was du gesagt hast, verfolgt mich seit einigen Tagen«, antwortete Anna Fjóla leise. »An dem Tag, an dem diese Frau ermordet wurde, war Jónas am Vormittag eine Zeitlang nicht im Büro.«
»Wann genau war das?«
»Er kam ein wenig später als sonst, gegen halb zehn, und ging um elf. Soweit ich mich erinnere, kam er kurz nach zwölf zurück.«
Gunna zweifelte nicht daran, dass Anna Fjóla sich genau erinnerte. Sie runzelte die Stirn und dachte über die Möglichkeiten nach, die sich daraus ergaben. Jónas Valur wäre demnach in der Lage gewesen, innerhalb der Zeitspanne, den Miss Cruz ihnen genannt hatte, in Svanas Wohnung zu gehen. Zwar nur knapp, aber immerhin.
»Bist du dir sicher?«
»Ja«, entgegnete Anna Fjóla eisig, als wäre die Vorstellung, sie könne sich geirrt haben, absolut lächerlich.
»Ist dir bewusst, was das bedeutet?«, fragte Gunna ernst. »Ich muss ganz sicher sein, was die Uhrzeit angeht.«
»Ich bin mir sicher.«
Gunna lehnte sich zurück und trank ihren Kaffee aus, während Anna Fjóla an ihrem Tee nippte.
»Ich frage mich gerade, warum du mir das erzählst – nach den ganzen Jahren mit Jónas Valur.«
Anna Fjólas schmale Schultern hoben sich zu einem kaum wahrnehmbaren Achselzucken. »Um die Dinge richtigzustellen, nehme ich an. Ich habe die ganzen Jahre hart und ehrlich für ein annehmbares Gehalt gearbeitet, aber mehr habe ich nicht bekommen. Aber ab nächsten Monat werde ich arbeitslos sein, und vermutlich bin ich einfach, naja, verärgert darüber.«
»Was ist passiert?«
»Kleifar wird verkauft. Jónas Valur verkauft seine Anteile, und zufällig weiß ich, dass Sindri seine bereits abgestoßen hat. Die beiden hielten
Weitere Kostenlose Bücher