Kalter Trost: Island-Krimi (German Edition)
seinen ansonsten so offenen Gesichtszügen. »Wir waren gute Freunde und Geschäftspartner. Wir haben gut zusammengearbeitet, haben aber nicht alle Einzelheiten aus unserem Privatleben ausgetauscht.«
»Weiter war da nichts?«, fragte Gunna. Sie freute sich innerlich, einen Riss in der Rüstung aus Selbstzufriedenheit gefunden zu haben.
»Vor fünf Jahren waren wir mal ein Paar, nach ihrer Scheidung von Bjarni Örn. Aber das ist Schnee von gestern. Seitdem lief nichts mehr.«
»Na schön. Weißt du, mit wem sie zuletzt zusammen war?«
»Nein«, seufzte er. »Sie hat nichts gesagt, und ich habe nicht gefragt. Sie hat es für sich behalten und war sehr diskret. Vielleicht ist er verheiratet, ich weiß es nicht.«
»Hat sie sich das zur Gewohnheit gemacht?«
»Was denn? Verheiratete Männer zu vögeln? Das kam vor«, sagte er mit einem Schulterzucken. »Ist das wichtig?«
»Bei Mord geht es meistens entweder um Geld oder um Eifersucht. Falls dir noch was einfällt, wäre ich dir dankbar, wenn du mir Bescheid sagst. Wie läuft das Geschäft?«, fragte sie unvermittelt.
Agnar zog wieder ein mürrisches Gesicht.
»Es ist okay. Könnte schlechter sein. Zumindest sind wir noch im Geschäft, was mehr ist, als man über viele andere Fitness-Clubs sagen kann.«
Auf einmal wirkte er gedankenverloren und runzelte leicht die Stirn.
»Aber ich weiß nicht, wie wir jetzt noch zurechtkommen sollen. Svana war die Hauptattraktion des Clubs, weißt du.«
***
Gunna sah sofort, dass Hallur Hallbjörnsson schwitzte. Sein stark gerötetes Gesicht passte nicht zu der weltgewandten Persönlichkeit, als die er sich so geschickt im Fernsehen präsentierte.
Sein Büro befand sich im Dachgeschoss eines der alten, mit Wellblech gedeckten Häuser, die an den See mitten in Reykjavík grenzten. Das Gebäude war nur einen Steinwurf vom Parlament und vom Rathaus entfernt, wo er ein aufsteigender Stern der Kommunalpolitik gewesen war, bevor er für das Parlament kandidiert hatte. Gunna war überrascht, wie klein das Büro eines Nachwuchsabgeordneten war – es war ein winziger Raum, vollgestopft mit Bücherregalen, direkt unter dem Dach, der wahrscheinlich vor einem Jahrhundert als Schlafkammer für einen Bediensteten genutzt worden war.
Hallur lud Gunna mit einer Handbewegung ein, sich auf den einzigen freien Stuhl zu setzen, und nahm selbst hinter seinem Schreibtisch in der Ecke Platz, als wüsste er, dass das schräg durch das Dachfenster einfallende Licht seine markanten Gesichtszüge betonte.
»Danke, dass du Zeit gefunden hast«, begann Gunna, aber Hallur winkte ab.
»Ich bin oft sonntagmorgens hier, wenn es ruhig ist. Was kann ich für dich tun?«, fragte er ausgesucht höflich.
»Vermutlich kannst du dir das denken. Ich untersuche den Tod von Svanhildur Mjöll Sigurgeirsdóttir. Du warst doch mit ihr bekannt, nicht wahr?«, sagte Gunna, um gleich zur Sache zu kommen.
»Äh, ja. Ich kannte sie«, murmelte Hallur. Gunna betrachtete ihn forschend. Er hob das Kinn und sah ihr in die Augen. »Ich kannte sie, und ich bin tieftraurig über ihren bedauernswerten Tod.«
Einstudiert und wohlklingend, dachte Gunna. Sie fragte sich, ob er die Maske irgendwann fallen lassen würde.
»Ich versuche herauszufinden, wo sie sich vor ihrem Tod aufgehalten und was sie getan hat. Wann hast du sie zuletzt gesehen?«
»Gestern vor einer Woche«, erwiderte er sofort.
»Bist du sicher?«
Hallur nickte.
»Ich habe in meinem Kalender nachgesehen, als du dich angekündigt hast. Ich habe mir in der Tat schon gedacht, was du von mir wissen willst.«
»Und welchen Eindruck hat sie auf dich gemacht?«
»Wie immer«, sagte Hallur mit einem Schulterzucken. »Lebhaft, fröhlich, aufgeregt angesichts der Chance, auf den Fernsehbildschirm zurückzukehren.«
»Ich nehme an, dass sie keine hochkarätigen politischen Debatten leiten sollte.«
»Das ist nicht wirklich nett formuliert. Sie hatte ein Angebot von einer Produktionsfirma, eine Art Modenshow zu moderieren.«
»Kennst du den Namen der Produktionsfirma?« Gunna machte sich eifrig Notizen.
»Tut mir leid. Wir haben uns in der Regel nicht über Geschäftliches unterhalten.«
»Worüber habt ihr euch denn so unterhalten, wenn ich fragen darf?«
Schweiß bahnte sich einen Weg aus Hallurs gepflegtem Haar, lief das Gesicht hinunter, bis es in den Bartstoppeln an seinem Kinn hängen blieb.
»Über alles Mögliche. Aber ich würde nicht sagen, dass wir enge Freunde waren.«
»Was für eine Art von
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