Kaltes Blut
ich dir was sagen; ich bin müde und will heim. Morbs meldet sich eh nachher bei dir. Gib mir Bescheid, wenn er was rausgefunden hat. Ich mach mich jetzt vom Acker.«
»Okay, unsere Gedankenspielereien führen heute zu nichtsmehr. Aber wir könnten morgen mal nach Weiterstadt fahren und …«
»Nee, nee, schlag dir das mal schön aus deinem hübschen Kopf«, wurde sie von Hellmer unterbrochen, der abwehrend die Hände hob, »nicht morgen! Wenn ich morgen überhaupt etwas mache, dann nur in Okriftel und nirgendwo sonst. Und auch das nur unter größtem Protest. Montag stehe ich wieder zur Verfügung.«
»Schon gut, schon gut! Verschwinden wir. Und schönen Gruß zu Hause.« Durant nahm ihre Tasche, gemeinsam verließen sie das Büro, und Hellmer schloss hinter sich ab. Sie gingen zu ihren Autos und fuhren vom Präsidiumshof. Es war fünf nach sieben.
Samstag, 19.30 Uhr
Julia Durant hatte an diesem Wochenende nichts eingekauft, ihr Kühlschrank und der Vorratsschrank waren fast leer. Sie hielt an einer Tankstelle, kaufte sechs Dosen Bier, eine Schachtel Gauloises, etwas Wurst und Butter und eine Kleinigkeit zu naschen und zahlte mit der Scheckkarte. Es war noch immer sehr warm, sie hatte beide Seitenfenster heruntergekurbelt und ließ sich den Fahrtwind um die Ohren wehen. Sie freute sich auf zu Hause, auf das Alleinsein und darauf, tun und lassen zu können, was sie seit langem nicht mehr gemacht hatte. Gestern Abend, das war ein Befreiungsschlag gewesen. Sie hatte losgelassen, denn irgendwann wäre sie explodiert. Sie fand eine Parklücke unmittelbar vor ihrem Haus, was selten genug vorkam, nahm die Taschen vom Beifahrersitz und ging zur Tür. Im Briefkasten ein Brief von Susanne Tomlin, mit der sie schon seit über zwei Wochen nicht mehr telefoniert hatte, die neueste HÖRZU und eine Rechnung.
Sie schloss die Wohnungstür auf und kickte sie mit dem Absatzzu. Die Luft in der Wohnung war stickig. Sie stellte die Taschen ab und öffnete sämtliche Fenster, dann ließ sie sich auf die Couch fallen. Die noch halb volle Dose Bier, die Kuhn getrunken hatte, war noch auf dem Tisch, ebenso die Schachtel Zigaretten und das Feuerzeug, das sie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie nahm eine Dose aus der Tasche, riss den Verschluss auf und trank in langen Schlucken. Sie merkte, wie der Alkohol ihr zu Kopf stieg, sie hatte seit dem Frühstück nichts gegessen. Als sie gerade auf dem Weg ins Bad war, um sich Wasser einlaufen zu lassen, klingelte das Telefon. Morbs.
»Frau Durant, nur ganz kurz. Todeszeitpunkt zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht. Tod durch Fremdeinwirkung. Mischner muss aber vor seinem Tod reichlich Alkohol, vor allem Rotwein, konsumiert haben, denn ich habe noch einen Restwert von 1,5 Promille in seinem Blut festgestellt. Außerdem hat er vor seinem Ableben ausgiebig Spaghetti Bolognese gespeist, das meiste davon befand sich noch im Magen. Ansonsten gibt es nichts Außergewöhnliches zu vermelden. Einen schönen Abend noch.«
»Ebenfalls.« Julia Durant legte auf, stand einen Moment neben dem Telefon, ging ins Bad, drehte den Wasserhahn auf, fühlte die Temperatur, gab etwas Badeschaum dazu und besah sich im Spiegel. »Du siehst furchtbar aus«, sagte sie zu sich selbst. »Julia, du musst endlich etwas für dich tun. Wann fangen wir damit an? Heute? Okay, dann heute. Sag mal, wieso fühlst du dich eigentlich nicht beschissen? Wieso wirfst du dich nicht aufs Bett und heulst Rotz und Wasser? Wieso fühlst du dich so saugut?« Sie grinste sich an und begab sich in die Küche, wo sich das schmutzige Geschirr türmte, beschloss, es noch vor dem Baden zu spülen und anzufangen aufzuräumen, die Sachen von Kuhn zusammenzupacken, nur das Putzen der Fenster würde sie Hellmer überlassen. Ach ja, dachte sie, ich wollte ja auch noch Susanne anrufen. Ein Blick auf die Uhr, halb acht. Sie würde sie anrufen, während sie in der Badewanne lag, würde ihr erzählen, dass sie mit KuhnSchluss gemacht hatte. Mal sehen, wie sie drauf reagiert, dachte sie.
Sie nahm zwei Scheiben Brot aus der Tüte, legte sie auf einen Teller, beschmierte sie dünn mit Margarine und tat jeweils drei Scheiben Salami darauf. Dazu eine Tomate und eine saure Gurke und noch ein Bier. Sie stellte den Fernseher an und blieb bei einem Dokumentarfilm über Sümpfe und Savannen in Südamerika hängen. Bevor sie das zweite Brot aß, ging sie ins Bad und drehte den Wasserhahn zu. Nach dem Essen spülte sie das Geschirr, stellte es in den
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