Kaltes Blut
»Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, ihn nach seinem Alibi zu fragen?«
»Intuition«, erwiderte Hellmer grinsend. »Ich hab von dir gelernt. Und ich bin inzwischen ganz deiner Meinung, dass wir den Mörder im Reitclub finden.«
»Komm, lass uns noch mal bei den Tschierkes vorbeischauen.«
»Warum denn jetzt nach Hattersheim?«, fragte Hellmer genervt. »Auf unserm Zettel steht auch noch der Bruder von Malkow, der Herr Pastor. Ein Pfaffe sieht und hört doch immer mehr als die andern. Vor allem in einem Kaff wie diesem.«
»Kennst du ihn?«
»Nee, bin kein Kirchgänger. Eh alles nur Heuchler.«
»Mein Daddy ist auch ein Pfaffe.«
»Tschuldigung, war nicht gegen ihn gerichtet.«
Montag, 12.55 Uhr
Christian Malkows Frau sagte den Kommissaren, dass ihr Mann sich im Gemeindebüro aufhalte. Es war gleich um die Ecke, sie gingen zu Fuß. Es befand sich mitten im alten Ortskern von Okriftel, die Kirche gegenüber vom zweitkleinsten Kino Deutschlands, in der Mitte ein Springbrunnen, hübsch restaurierte alte Häuser rundeten das verträumte dörfliche Bild ab.
Er war allein in seinem Büro, die Einrichtung nüchtern modern, auf dem Schreibtisch das reinste Chaos.
»Machen Sie sich’s bequem«, sagte Christian Malkow freundlich und deutete auf zwei Stühle vor seinem Schreibtisch. »Ich möchte mich für die Unordnung entschuldigen, aber ich kam in letzter Zeit nicht dazu, aufzuräumen. Was kann ich für Sie tun?«
»Um ehrlich zu sein«, sagte Durant, die Christian Malkow im Gegensatz zu dessen Bruder sofort sympathisch fand, »wir wollen ein wenig unsere Neugierde befriedigen. Es geht um Selina Kautz und Herrn Mischner. Wie ist denn die Stimmung so unter der Bevölkerung? Wie wir gehört haben, war die Kirche gestern randvoll.«
Malkow lächelte und legte die Hände aneinander. Seine Augen strahlten Wärme aus.
»Stimmt, so wie gestern habe ich es eigentlich noch nie erlebt. Aber das ist auch verständlich, die Leute sind schockiert, zumindest tun sie so. Doch Sie haben eben auch noch Herrn Mischner erwähnt. Hat er sich umgebracht, weil …?«
»Er wurde ermordet.«
Malkows Miene wurde schlagartig ernst. »Er wurde ermordet?« Er rang einen Augenblick um Fassung, dann sah er Durant an. »Seltsam, warum hat jemand Mischner umgebracht?«
»Diese Frage gilt es noch zu klären.«
»Hm, bis eben dachte ich, er hätte Selbstmord begangen, aus Verzweiflung …«
»Und um gleich Ihre nächste Frage zu beantworten, er hat mit Selinas Tod nichts zu tun. Wie gut kannten Sie Herrn Mischner?«
»Wollen Sie es wirklich wissen?«
»Sonst hätte ich nicht gefragt.«
»Relativ gut. Ob Sie es glauben oder nicht, er kam fast jeden Sonntag in die Kirche. Er war nicht der böse Junge, als den ihn alle hinstellen. Er war einfach nur einsam und ein Außenseiter, was ihn die meisten auch sehr deutlich spüren ließen. Und er hatte zugegebenermaßen große Probleme, früher einmal mit Drogen, wie er mir selbst erzählt hat, und später dann mit Alkohol. Aber er hat trotz allem Gott gesucht, ob er ihn gefunden hat, entzieht sich leider meiner Kenntnis.«
»Hatten Sie auch persönlichen Kontakt zu ihm?«
»Er kam ab und zu vorbei, um sich auszuquatschen, er hatte ja niemanden sonst, und meine Tür steht wirklich jedem offen. Unddann ist dieses Malheur mit der Vergewaltigung passiert, und damit ist auch der Kontakt allmählich abgerissen.«
»Haben Sie noch einmal mit ihm gesprochen, nachdem er verhaftet worden war?«
»Nicht nur einmal, mehrere Male sogar. Aber er war völlig verändert. Ich wollte nicht glauben, dass er eine solche Tat begangen hatte, doch die Beweise und schließlich auch sein Geständnis haben mich zwangsläufig vom Gegenteil überzeugt. Und trotzdem ist bei mir ein Zweifel haften geblieben. Fragen Sie mich aber nicht, warum. Es ist einfach nur ein Gefühl.«
»Sie haben eben gesagt, er hatte niemanden, mit dem er reden konnte. Hat er nie einen Namen von einer Person genannt, die ihm doch nahe stand? Vielleicht sogar nach seiner Verhaftung? Denken Sie genau nach, es könnte für unsere Ermittlungen sehr wichtig sein.«
»Ich weiß zwar nicht, worauf Sie hinauswollen, aber er hat nie einen Namen erwähnt. Ich hatte immer das Gefühl, ich wäre sein Ansprechpartner … Aber ich verstehe noch immer nicht Ihre Frage.«
»Wir gehen davon aus, dass Sie es mit der Schweigepflicht ernst nehmen.«
»Was in diesem Raum besprochen wird, bleibt auch hier drin«, sagte er lächelnd.
»Also, um es
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