Kaltes Blut
kurz danach sehr stark zu schneien angefangen und es war schon die Tage davor eisig kalt, was unter Umständen ein Grund sein konnte. Aber Sie sollten dazu vielleicht besser Ihre Kollegen von damals befragen.«
»Kennen Sie Herrn Grumack persönlich?«
»Wir haben uns damals des Öfteren unterhalten, auch wenn er kein regelmäßiger Kirchgänger ist. Seine Tochter aber habe ich kaum gekannt.«
»Wohnt Herr Grumack noch in Okriftel?«
»Sicher, er hat eine Schreinerei vorne in der Rheinstraße.«
»Herr Malkow, wir danken Ihnen sehr, Sie haben uns wertvolle Informationen geliefert. Hier ist meine Karte, falls Ihnen noch etwas einfällt.«
»Ich helfe, wo ich kann«, sagte er lächelnd und ging mit den Kommissaren bis vor die Tür. Er wartete, bis sie am Parkplatz am Main angelangt waren, verengte die Augen zu Schlitzen, machte kehrt und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, die Beine hochgelegt, und dachte nach.
Montag, 13.45 Uhr
Vom Auto aus telefonierte Durant mit Berger, um ihn über den Fall Kerstin Grumack zu informieren, und bat ihn, die Akte von damals herauszusuchen. Nachdem sie ihr Handy wieder eingesteckt hatte, sagte sie: »Frank, angenommen, diese Kerstin wurde umgebracht und wir haben es mit demselben Täter zu tun, warum wartet er dann mehr als fünf Jahre, bevor er wieder zuschlägt?«
»Wir wissen doch noch gar nicht, was sich wirklich abgespielt hat«, entgegnete Hellmer gelassen. »Vielleicht ist sie ja wirklich abgehauen. Ich stell mir einfach nur die Stresssituation vor, unter der sie gestanden hat …«
»Das haben auch schon die Psychologen gesagt. Was veranlasst aber ein Mädchen ihres Alters, ausgerechnet einen Tag vor Heiligabend abzuhauen? Dazu noch, wenn sie weiß, dass es vielleicht das letzte Weihnachten ist, das sie mit ihrer Mutter verbringen kann. Denk mal dran, was Richter gesagt hat …«
»Was hat er denn gesagt?«
»Hast du nicht zugehört?! Er hat davon gesprochen, dass der Mord an Selina vermutlich nicht sein erster war. Wir müssen auf jeden Fall mit Kerstins Vater sprechen.«
»Und ich will erst die Akte sehen und was die Angehörigen und Freunde über sie gesagt haben. Vorher spekuliere ich nicht. Außerdem sind wir gleich bei den Tschierkes.«
»Mann o Mann, warum so gereizt?«
»Ich bin nicht gereizt, mich nerven nur diese andauernden Hypothesen.«
»Dazu sind wir schließlich da, mein lieber Herr Kollege, um nämlich Hypothesen aufzustellen und letztendlich aus einer von ihnen die Wahrheit herauszufiltern. Denk mal an die Polizeischule«, erwiderte sie spöttisch.
»Du nervst.«
Du wirst schon sehen, dass ich Recht habe, dachte Durant und ging neben Hellmer auf das Haus zu. Auch diesmal warteten sie nach mehrmaligem Klingeln vergeblich auf eine Antwort. Sie schauten sich nur schweigend an, warteten, klingelten noch zweimal Sturm, wieder nichts. Ein alter Mann kam aus dem Supermarkt, warf den Kommissaren einen müden Blick zu und schloss die Tür auf. Sie folgten ihm zum Aufzug. Er stieg im dritten Stock aus.
Im elften Stock das gleiche Bild wie schon am Vormittag, ein finsterer Flur und kein Mensch zu sehen oder zu hören. Keine Musik aus einer Wohnung, keine Wortfetzen, kein laufender Fernseher. Hellmer hämmerte ein paarmal mit seiner Faust gegen die Tür, keine Reaktion.
»Wir müssen da rein«, sagte Julia Durant mit entschlossener Miene. »Hier stimmt was nicht.«
»Okay, diesmal stimme ich dir zu. Soll ich den Hausmeister holen oder selbst Hand anlegen?«, fragte er grinsend.
»Wie willst du das anstellen?«
»Nichts leichter als das«, erwiderte er leise, holte seinen Schlüsselbundaus der Tasche, an dem nicht nur drei Schlüssel hingen, und zog ein paarmal kurz hintereinander die Augenbrauen hoch.
»Das ist illegal. Wo hast du das denn her?«
»Man kann ja nie wissen …«
Er brauchte nur wenige Sekunden, die Tür war nur zugezogen und nicht abgeschlossen.
»Gekonnt ist gekonnt. Bitte schön, nach dir«, sagte er und ließ Durant an sich vorbei in die Wohnung treten, bevor er die Tür zumachte.
Im Wohnzimmer unter dem Tisch zwei Flaschen Rotwein, eine davon knapp viertel voll, ein leeres Glas auf dem Tisch. Die Balkontür geschlossen, Stille. Es war warm in der Wohnung, kalter Rauch hing in der Luft. Im Aschenbecher zahlreiche Kippen, etwas Asche auf dem Boden.
»Keiner zu Hause«, sagte Hellmer mit gedämpfter Stimme, während Durant sich automatisch und ohne darauf einzugehen die
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