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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Handschuhe überzog.
    »Das werden wir gleich sehen«, antwortete sie nur. Sie stieß vorsichtig die angelehnte Badezimmertür auf und schüttelte den Kopf. In der aufgeräumten Küche zwei gespülte Teller, drei Gläser, zwei Töpfe und Besteck im Abtropfkasten. Hellmer, der sich inzwischen auch Handschuhe übergestreift hatte, drückte eine Klinke herunter und blickte in ein fast lichtloses Zimmer. Er betätigte den Lichtschalter neben der Tür und sah sie auf dem Bett liegen.
    »Julia, komm her, es ist doch jemand zu Hause«, sagte er trocken.
    »Ach du Scheiße!« Sie rümpfte die Nase, ging näher an die Tote heran, sah auf das Glas und das Fläschchen auf dem Nachtschrank. »Zyankali. Sieht aus wie Suizid.«
    »Hm, sieht so aus.«
    »Frank, das ist nicht die Frau, mit der ich gestern gesprochen habe.«
    »Auch gut. Wer ist es dann?«
    »Die Frau gestern hatte Leggings und ein Sweatshirt an, und sie war vollkommen ungeschminkt. Die hier trägt Dessous und Highheels und ist geschminkt wie eine …«
    »Nutte. Und jetzt?«
    »Glaubst du im Ernst an Selbstmord? Im Leben nicht! Und wo ist Miriam?« Durant rannte zum Zimmer am Ende des schmalen Flurs, die Tür stand einen Spalt offen. Das Bett war unberührt, das Zimmer aufgeräumt bis auf ein paar Sachen, die über dem Stuhl hingen. Sie ging zu Hellmer zurück. »Miriam ist nicht da. Wo ist sie?«, fragte sie und kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. »Wir müssen sofort eine Suchmeldung rausgeben. Miriam hat heute Nacht definitiv nicht in ihrem Bett geschlafen.«
    »Meinst du wirklich, eine Suchmeldung hilft?«, fragte Hellmer zweifelnd. »Ich denke, das würde nur noch mehr Unruhe und Aufruhr verursachen. Wir können nicht schon wieder übers Radio oder Fernsehen gehen. Das hier ist offiziell Suizid, auch wenn es Mord gewesen sein sollte. Und Miriam finden wir schon, egal, wie.«
    »Einverstanden. Hilf mir mal.« Sie fassten Marianne Tschierke am Arm und am Po und drehten sie auf die Seite. »Sie ist seit mindestens zwölf Stunden tot, die Totenstarre hat vollständig eingesetzt, die Leichenflecken sind nicht mehr wegdrückbar. Wir haben jetzt vierzehn Uhr, das heißt, sie muss seit mindestens zwei Uhr heute Nacht tot sein, wahrscheinlich aber schon länger. Irgendwann zwischen meinem Besuch und zwei Uhr muss sie ihren Mörder getroffen haben.«
    »Wieso glaubst du eigentlich, dass sie ermordet wurde?«
    »Wieso?«, fragte Durant zurück. »Weil ich zwei und zwei zusammenzählen kann. Deshalb. Hätte Miriam ihre Mutter tot aufgefunden, hätte sie die Nachbarn oder die Polizei informiert. Und Miriam ist oder war eine Freundin von Selina. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch am Leben ist, und falls doch, dann nicht mehr lange. Bei Selina hat er sich immerhin auch einen ganzen Tag Zeit genommen.«
    »Aber das kann er jetzt nicht noch mal machen. Das Risiko wäre zu groß«, warf Hellmer ein. »Außerdem könnte es doch auch sein, dass sie ihre Mutter tot vorgefunden hat, in Panik davongerannt ist und jetzt irgendwo herumirrt. Hatten wir auch schon.«
    »Kann sein«, erwiderte Durant gedankenverloren und lehnte sich an den Türrahmen. »Aber warum hat sie keinen Abschiedsbrief hinterlassen? Sie hat eine Tochter, und selbst wenn sie sich mit ihr nicht sonderlich gut verstanden haben sollte, was ich nicht glaube, so hätte sie zumindest einen Abschiedsbrief geschrieben. Frank, hier ist was oberfaul. Ruf im Präsidium an.«
    »Gleich. Julia, du sagst, sie hätte gestern völlig anders ausgesehen als jetzt. Was für einen Eindruck hattest du von ihr?«
    »Unzufrieden, verbittert, verhärmt, mit dem Leben fertig.«
    »Also könnte es unter Umständen doch Suizid gewesen sein, oder?«
    »Könnte, könnte, könnte! Natürlich könnte es Suizid gewesen sein, aber das haut vorne und hinten nicht hin. Vielleicht habe ich gestern einfach nur eine Frau angetroffen, die gerade eine melancholische Phase hatte, aber schau dir doch mal die Dessous an. Zieht jemand so was an, bevor er sich umbringt?«
    »Ja«, antwortete Hellmer schnell. »Und zwar, wenn die Person so verzweifelt ist, dass sie sich vor ihrem Tod noch einmal etwas Schönes gönnt. Und wenn es nur ein paar ausgefallene Dessous sind. Und sich mit Zyankali ins Jenseits zu befördern ist ein sehr schneller Tod, das weiß inzwischen jedes Kind.«
    »Frank, unter sich etwas Schönes gönnen stelle ich mir was anderes vor. Sie hat mir erzählt, dass sie seit fünf Jahren mit Miriam allein lebt, weil ihr Mann sich

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