Kaltes Blut
versunken, dass sie nicht bemerkte, wie Richter hereinkam. Es war achtzehn Uhr siebenunddreißig.
Er nickte Berger kurz zu, dann Durant, nahm sich einen Stuhl und setzte sich. Den Aktenkoffer legte er auf die Oberschenkel, öffnete ihn, holte sämtliche Unterlagen heraus und platzierte sie auf dem Tisch. Den Aktenkoffer stellte er neben seinen Stuhl.
»Machen wir’s hier?« Seine Laune schien nicht die allerbeste zu sein, er hatte sich den Abend vermutlich auch angenehmer vorgestellt.
»Nein, besser im Besprechungszimmer, ich möchte, dass soviele Beamte wie möglich dabei sind. Sie sollen schließlich was lernen«, erwiderte Berger ruhig, der die Anspannung spürte, die von Richter ausging. Hellmer trommelte sämtliche verfügbaren Kollegen zusammen. Um zehn vor sieben waren alle im Besprechungszimmer versammelt.
Dienstag, 19.00 Uhr
Können wir anfangen?«, fragte Richter, nachdem er alles auf dem großen Tisch ausgebreitet hatte.
»Bitte«, sagte Berger.
»Gibt es vielleicht noch irgendwelche Informationen, von denen ich noch nichts weiß?«
»Allerdings«, antwortete Durant. »Spezialtaucher haben vorhin in einem Baggersee in Okriftel einen Fund gemacht. Es handelt sich vermutlich hierbei um die seit Weihnachten 96 vermisste Kerstin Grumack. Ich habe Ihnen heute Morgen kurz davon berichtet. Sie wurde in die Rechtsmedizin gebracht.«
»Interessant. Das würde also meine Theorie untermauern, dass Selina Kautz nicht sein erstes Opfer war. Aber gehen wir in medias res, sonst sitzen wir morgen früh noch hier. Die meisten unter Ihnen wissen, dass das von mir bis jetzt erstellte Täterprofil nicht vollständig sein kann, dazu fehlte mir einfach die Zeit. Ich habe es auch noch nicht abtippen können, weshalb ich Ihnen leider keine Unterlagen hier lassen kann. Deshalb sollten Sie am besten mitschreiben. Wie ich sehe, ist sonst alles vorbereitet. Dann wenden wir uns jetzt erst einmal in aller Ruhe den Bildern zu, ich werde aber erst später einen Kommentar dazu abgeben.«
Er bat Hellmer, den Diaprojektor zu bedienen, das Licht wurde gelöscht, die am Fundort gemachten Bilder von Selina Kautz wurden auf die Leinwand projiziert, anschließend die von Miriam Tschierke, Gerhard Mischner und Marianne Tschierke.
Das Licht wurde wieder angemacht, Richter räusperte sich undwollte gerade beginnen, als das Telefon klingelte. Prof. Bock. Berger stellte den Lautsprecher an, damit alle mithören konnten.
»Ich hab da was auf den Tisch gekriegt, das verdammte Ähnlichkeit mit den andern beiden Opfern hat. Die Leiche ist zwar fast vollständig verwest, aber sie wurde ebenfalls in eine transparente Folie und, so weit das noch zu erkennen ist, in Tuch gewickelt. Die genaue Analyse kann ich frühestens morgen Abend rüberschicken, wahrscheinlich aber erst am Donnerstag. Es könnte sich jedoch um die vermisste Kerstin Grumack handeln.«
»Danke«, sagte Berger nur und legte auf. »Opfer Nummer drei.«
»Falsch, Opfer Nummer eins«, wurde er von Richter berichtigt. »Er hat 1996 seinen ersten Mord begangen und dann mehr als fünf Jahre verstreichen lassen, bis er schließlich seinen ausgeklügelten Plan in die Tat umsetzen konnte. Sein erster Mord war ein Test, er wollte sehen, ob er den perfekten Mord begangen hat. Und beinahe wäre es ihm auch gelungen. Die Frage ist, warum hat er diesen ersten Mord überhaupt begangen, und ich kann gleich sagen, dass ich keine Antwort darauf habe. Sein Motiv bleibt vorerst im Dunkeln.
Wir haben es aber mit einer sehr komplexen Persönlichkeit zu tun. Auffällig sind folgende Punkte. Erstens: Kerstin Grumack, Selina Kautz und Miriam Tschierke waren alle in etwa im gleichen Alter, vierzehn beziehungsweise fünfzehn Jahre alt. Er kannte die Opfer, und sie kannten ihn und hatten Vertrauen zu ihm. Zweitens: Er hat zweien der Opfer jeweils siebenundsiebzig Messerstiche beigebracht, von denen je sieben direkt ins Herz gesetzt wurden und somit tödlich waren. Bei Kerstin wird es vermutlich ähnlich gewesen sein. Die andern Stiche waren mehr oberflächlich und weisen die Form von Flügeln auf. Drittens: Er wäscht und desinfiziert seine Opfer, kämmt ihre Haare und verschränkt ihnen die Arme über dem Bauch. Viertens: Er verpackt sie sehr sorgfältig, woraus zu schließen ist, dass er ein sehr akribischer, fast pedantischer Mensch ist.«
»Das ist kein Mensch, sondern eine Bestie«, sagte einer der Beamtenleise, doch laut genug, dass alle es hören konnten. Durant drehte sich zu ihm um und warf
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