Kaltes Blut
Hellmer. »Hör zu, wir haben extrem wichtige Informationen, die Richter helfen könnten.«
»Nein, Frank. Ich kann es nicht mehr sagen! Berger zerreißt mich in der Luft, weil ich ihm etwas Entscheidendes vorenthalten habe. Das Täterprofil, das Richter bis jetzt erstellt hat, ist ziemlich genau, und mit diesem Profil kriegen wir das Arschloch.«
»Julia, das ist ganz allein dein Ding, das du jetzt durchziehst. Ich will damit nichts zu tun haben, und ich weiß auch nichts davon. Aber unser Mann tötet, weil seine Frau lesbisch ist …«
»Das ist mir eben auch klar geworden. Deswegen, bitte, halt den Mund. So, und jetzt gehst erst du rein, ich komme in zwei Minuten nach.«
Berger und Richter unterhielten sich angeregt, und erst als Durant wieder Platz genommen hatte, fuhr Richter mit seinen Ausführungen fort.
»Wir waren bei der Reinheit stehen geblieben. Wichtig ist noch, dass er seinen Opfern keinen Schmerz zufügen wollte, sprich, er wollte ihnen unnötiges körperliches Leid ersparen. Inwieweit er sie psychisch gequält hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Er hat sie betäubt, gefesselt und wieder betäubt, bevor er sie getötet hat. Was er in der Zwischenzeit mit ihnen gemacht hat, ob er mit ihnen gesprochen hat, wenn sie aufgewacht sind, kann ich nicht beurteilen.Es kann sein, dass er sie nur beobachtet hat, es kann auch sein, dass er mit ihnen gesprochen hat, wobei es sich um eine einseitige Kommunikation gehandelt haben muss, da er den Opfern den Mund verklebt hatte.«
»Kann es sein, dass ihn die Morde sexuell stark erregt haben? Hat er vielleicht einen Orgasmus dabei bekommen?«
»Unwahrscheinlich. Die Sorte Mörder, von der Sie sprechen, tötet weniger gezielt und strukturiert. Unser Mann verdrängt im Moment des Tötens jeglichen Gedanken an Sexualität. Er ist kein Triebtäter. Triebtäter bekommen tatsächlich häufig allein durch den Tötungsakt einen oder mehrere Orgasmen. Diese Täter wählen ihre Opfer aber in der Regel nach dem Zufallsprinzip aus. Sie schlendern durch die Stadt, entdecken eine Frau, sie verlieren jegliche Kontrolle über sich und werden nur noch von ihrem Trieb gesteuert. Sie vergewaltigen das Opfer häufig vor dem Tod, oftmals aber auch erst danach. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Es geht ihm nicht um sexuelle Befriedigung, die holt er sich woanders.«
»Wo hat er die Mädchen umgebracht?«
»Das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Wenn er verheiratet ist, wovon ich ausgehe, kann es nicht in seinem Haus gewesen sein. Also bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder er besitzt noch ein Haus, wo er ungestört schalten und walten kann, oder aber er kennt einen Ort, von dem er genau weiß, dass dort niemals jemand hinkommt. Und wenn wir uns die ganze Prozedur anschauen, die er veranstaltet hat, betäuben, fesseln, eine Beruhigungs- bzw. Betäubungsspritze setzen, die vielen Messerstiche und schließlich das Verpacken der Leichen, wofür er einige Zeit benötigt, kommen eigentlich nur diese beiden Möglichkeiten in Frage. So viel dazu.«
Richter sortierte seine Papiere und nahm ein Blatt in die Hand, schürzte die Lippen und fuhr fort: »Kommen wir zum interessantesten Punkt, die siebenundsiebzig Messerstiche. Ich habe mich ein wenig schlau gemacht, was es mit dieser Zahl auf sich hat, und bin auch fündig geworden. In der Bibel gibt es eine Passage, in derJesus von Petrus gefragt wird, wie oft er seinem Bruder vergeben muss, wenn er sich gegen ihn versündigt. Darauf hat Jesus geantwortet: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. Meine Partnerin hat mir übrigens geholfen, das herauszufinden, da ich alles andere als bibelfest bin«, sagte Richter schmunzelnd. »Ich habe mich natürlich gefragt, was das mit den Morden zu tun haben soll. Hat sich jemand gegen den Täter versündigt und es öfter als siebenundsiebzigmal getan? Nein, unwahrscheinlich. Wenn wir aber den Bericht der Rechtsmedizin durchlesen und auch die Fotos betrachten, erkennen wir, dass er siebenmal ins Herz gestochen hat, wobei alle diese Stiche tödlich waren, und siebzigmal hat er die Haut praktisch nur angeritzt, damit wir sehen, was für ein Kunstwerk er vollbracht hat. Damit sind wir bei der Zahl sieben angekommen. Sieben Stiche ins Herz und die Quersumme von siebzig ergibt auch sieben. Und obgleich ich mich nur am Rande mit Esoterik beschäftige, habe ich ein Buch über Numerologie bei mir gefunden. Und darin steht über die Zahl sieben Folgendes geschrieben: Die sieben ist das Zeichen
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