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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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habe keine Vermutung. Du vielleicht?«
    »Sie wurde umgebracht«, antwortete er kurz und knapp.
    »Etwas sagt mir, dass du Recht hast«, entgegnete sie trocken. »Zufrieden? Aber wann wurde sie umgebracht, weshalb, und wo ist die Leiche? Und solange wir nicht wissen, was genau geschehen ist, wird es ein ungeklärter Fall bleiben. Keine Leiche, kein Mord. Okay?«
    Hellmer schnippte seine Zigarette auf den Gehweg. Sie gelangten an eine lange Garagenfront, zwischen der ein kaum sichtbarer schmaler Weg direkt zum Spielplatz führte, wo Selina Kautz am vergangenen Abend zuletzt gesehen worden war.
    »Das ist also der Ort«, sagte Julia Durant und ließ ihren Blick über das weitläufige Gelände schweifen. Der Spielplatz bestandaus einem kleinen Fußballfeld, einer Rutsche, einem langen Stahlseil, an dem ein Griff an einer Rolle angebracht war, wo Kinder sich festhalten und sich von einem kleinen aufgeworfenen Erdhügel bis zum andern Ende tragen lassen konnten; ein Reifen zum Schaukeln und eine Art Gummitrampolin, das seine Funktion aber nur erfüllte, wenn man zu zweit war, wenn einer darauf saß oder lag und einer hüpfte und dabei der andere in die Höhe geschleudert wurde. Dazu viel Wiese, ein Getreidefeld, das bald reif zur Ernte war, Apfelbäume und dichte Büsche und etwa vier- oder fünfhundert Meter weiter ein kleines Waldstück, das jetzt, im Licht der anbrechenden Dämmerung, schwarz und finster wirkte. Über ihnen Hochspannungsmasten und -leitungen, auf denen Vögel saßen.
    »Lass uns noch ein Stück gehen«, bat ihn Durant.
    »Wenn du willst.«
    Zwei Radfahrer kamen ihnen entgegen, ein junges Pärchen saß auf einer Bank, weiter hinten lief ein einsamer Jogger auf den Wald zu.
    »Wir gehen hier oft spazieren«, sagte Hellmer. »Hier ist Frankfurt weit weg.«
    »Hm.«
    Sie gelangten an die Biegung, von der Frau Schreiner gesprochen hatte. Julia Durant blieb stehen. »Setzen wir uns einen Moment?«
    Hellmer inspizierte die Bank, ob sie auch sauber war, und nickte. »Hier kacken andauernd Vögel drauf.«
    Julia Durant ging nicht darauf ein. »Lass uns doch mal kurz die ganze Sache durchgehen. Eddersheim ist ein Stadtteil von Hattersheim. Wie weit ist es von hier nach Eddersheim?«
    »Meinst du zum Reitclub? Na ja, so zweieinhalb bis drei Kilometer, über den Daumen gepeilt.«
    »Also sagen wir, von der Wohnung des Mädchens bis zum Reitclub ungefähr drei Kilometer.«
    »Ja.«
    »Mit einem guten Fahrrad braucht man dafür etwa zehn Minuten.Angenommen, du bist ein fünfzehnjähriges Mädchen und fährst abends von Eddersheim mit dem Fahrrad nach Okriftel, welche Route würdest du nehmen? Ich meine, welche wäre die sicherste und schnellste? Oder gibt es nur eine?«
    Hellmer überlegte, streckte die Beine aus und steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans. »Es gibt mehrere. Die schnellste und zugleich auch sicherste wäre die Hauptstraße, also die Straße, die Okriftel mit Eddersheim verbindet, dann kommt man automatisch an eine Wiese, durch die ein Rad- und Wanderweg führt, und von dort aus fährt man direkt bei uns in die Siedlung.«
    »Und dabei fährt man auch hier entlang?«
    Hellmer sah sie von der Seite an, runzelte die Stirn und dachte kurz nach. »Nein«, sagte er kopfschüttelnd, »man fährt um den Baggersee herum und kommt automatisch in den Sterntalerweg. Aber es gibt noch einen Weg hinten an den Bahngleisen, doch der ist ein ganzes Stück länger und den würde eine Fünfzehnjährige bestimmt nicht mit oder nach Einbruch der Dunkelheit wählen. Vorausgesetzt, sie ist vorsichtig. Natürlich gibt es immer wieder welche, die … Nein, nein, ich habe Selina sogar schon selbst gesehen, wenn sie mit dem Rad vom Baggersee kam.«
    »Aber dann hätte sie doch gestern Abend Gefahr laufen können, ihren Eltern oder zumindest einem von ihnen zu begegnen, wenn sie durch den Sterntalerweg fährt, oder?«
    »Sie muss einen Umweg gemacht haben. Es gibt eine Menge Möglichkeiten, zum Beispiel sie fährt durch den Rapunzel- oder Schneewittchenweg und läuft damit eben nicht Gefahr, von den Eltern gesehen zu werden.«
    »Aber was hat sie hier am Spielplatz gesucht, wo sie doch angeblich bei einer Freundin übernachten wollte? Und keine ihrer Freundinnen weiß etwas von einer Verabredung.«
    Hellmer überlegte, kam jedoch zu keinem Ergebnis. »Du hast Recht, das macht keinen Sinn, denn hier gibt es keine Häuser. Warte mal, wir haben doch die Adressen aller in Frage kommenden Freundinnen.« Er nahm den Zettel

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