Kaltes Blut
Porzellan vom Tisch und legte sie auf die Plane, die Arme fielen wieder auseinander. »Du bist so schön«, sagte er leise und kreuzte ihre Arme erneut. Er wickelte die Plane um sie und verschnürte sie. Dann nahm er ein beigefarbenes Leinentuch, das er ebenfalls um sie wickelte und verschnürte. Es war ein Uhr zweiundvierzig. Er beschloss, noch eine halbe Stunde zu warten, dann würde kein Mensch mehr auf der Straße sein, außer vielleicht einem Betrunkenen. Niemand, der ihn beobachten würde. Er räumte auf, säuberte den Tisch und legte eine große Decke darüber, die auf allen vier Seiten bis zum Boden reichte. Danach legte er das sorgfältig verschnürte Paket über seine Schultern und ging in die Garage, wo er es in den Kofferraum verfrachtete. Er startete den Motor, fuhr rückwärts aus der Ausfahrt, alles war dunkel, kein Fenster, hinter dem mehr Licht brannte. Er brauchte nur wenige Minuten, bis er an der Stelle angekommen war. Er setzte sein Nachtsichtgerät auf, um sich zu vergewissern, dass er auch wirklich allein war, und entriegelte die Kofferraumklappe durch einen Knopfdruck unter dem Armaturenbrett. Es dauerte nur noch weitere fünf Minuten, bis er sagte: »Es ist vollbracht. Jetzt kannst du fliegen.«
Um kurz nach halb drei an diesem Morgen kehrte er zurück, begab sich noch einmal in den Keller, holte die CD aus dem Spieler und ging nach oben ins Wohnzimmer. Er war nicht müde, nur selten brauchte er mehr als vier Stunden Schlaf. Er setzte sich in seinen Sessel, betrachtete die CD und verzog verächtlich den Mund. »Vorhin, mein Engel«, sagte er leise zu sich selbst, »habeich definitiv zum letzten Mal Chopin gehört. Er ist tot, er ist doch schon so lange tot. Ach, ich habe es dir ja schon letzte Nacht erzählt, ich war schon einmal auf Mallorca, wo Chopin mit George Sand für eine kurze Zeit gelebt hat. Ich habe das Haus gesehen, ein schönes Haus. Es ist schon bemerkenswert, welche Erinnerungen ein solches Haus in sich birgt. Und welche Geheimnisse. Was es wohl alles schon erlebt und gesehen hat? Auf jeden Fall den guten Chopin und seine Freundin und Geliebte.« Er lachte glucksend auf, um gleich wieder ernst zu werden, sein Blick verdüsterte sich. »Ja, er war ein begnadeter Künstler, aber irgendwie kaputt, wie alle von ihnen. Na ja, vielleicht nicht wirklich kaputt, eher krank. Man sagt, er habe Tuberkulose gehabt. Mag sein, ich kann es leider nicht beurteilen. Er hatte sicherlich Freunde, aber selbst seine Geliebte George Sand hat ihn verlassen, nein, sie hat ihn im Stich gelassen, weil sie wohl nicht mehr mit einem Krüppel zusammenleben wollte. Tja, so geht es den Männern, wenn sie den Frauen zu lästig werden, sie werden fallen gelassen. Aber dich, mein Engel, dich habe ich davor bewahrt, jemals so zu werden. Vielleicht triffst du ja deinen geliebten Chopin, dann könnt ihr euch über die Musik unterhalten, ihr könnt zusammen Klavier spielen, und vielleicht werdet ihr sogar richtig gute Freunde. Aber ich muss dir sagen, mit dir ist auch Chopin für mich gestorben. Obwohl, er ist ja schon lange tot, viel länger als du. Aber was rede ich da, das weißt du ja alles selbst, wahrscheinlich weißt du viel mehr über ihn als ich. Mach’s gut und schau nicht zurück, Engel, sondern nur noch vorwärts. Mach’s gut.«
Er steckte die CD in den Ständer und legte stattdessen eine CD von Shania Twain in den Spieler. Anschließend nahm er wieder im Sessel Platz, setzte die Kopfhörer auf, machte die Augen zu und lauschte der Musik, die so anders war und doch prickelnd. Mit einem Mal sprang er auf, drückte auf Stopp und kniff die Augen zusammen. Seine Kiefer mahlten aufeinander, er ballte die Fäuste, sein Gesicht war zu einer Fratze verzerrt. Er hasste diesesLied, dieses eine ganz spezielle Lied. »That don’t impress me much.«
»Warum maßt du Miststück dir an, so über Männer zu singen?! Glaubst du vielleicht, du bist etwas Besseres?! O nein, das bist du nicht, du bist nur ein Teufel in Frauenkleidern! Ich muss allerdings zugeben, du bist ein sehr schöner Teufel, doch einer, der es wahrscheinlich mit jedem und jeder treibt. Hure, gottverdammte Hure! Aber weißt du was, du bist schuld, wenn ich die Kleine wegschicke. Noch ist sie ein Engel mit einem Körper, doch wenn sie länger deine verdammte Musik hört, wird sie zum Teufel, genau wie du. Aber ich werde es verhindern, denn ich weiß, was gut für sie ist. Ich weiß es sogar besser als ihre Eltern, die nie Zeit haben, sich um
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