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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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sie zu kümmern. Und sie ist doch noch so jung, viel zu jung, um den Satan zu erkennen. Aber ich habe ihn schon lange erkannt. Er kann sich vor mir nicht verstecken. Deshalb werde ich sie vor dir schützen. Ja, ich werde sie vor dir beschützen.« Er streckte sich, stellte sich an das breite Fenster und schaute hinaus in den großen Garten, in dem der kleine Goldfischteich von zwei Lampen angestrahlt wurde. Seine Gedanken waren mit einem Mal weit weg. Aber die Unruhe hatte wieder Besitz von ihm ergriffen. Es war beinahe halb vier, als er auf sein Zimmer ging und sich ins Bett legte. Er schlief auf dem Rücken, die Hände über dem Bauch gefaltet. Die Königsstellung, wie behauptet wurde. Er schlief immer so, und wenn er morgens aufwachte, hatte sich seine Lage kaum verändert. Er war eben doch etwas Besonderes.

Donnerstag, 21.50 Uhr
    Emily Gerber kam aus dem Reitclub, ihr Mann war im Sessel bei laufendem Fernseher eingeschlafen. Sie hatte seit dem späten Nachmittag mit Helena Malkow zusammengesessen. Hauptgesprächsthema war das Verschwinden von Selina Kautz. Sonja Kaufmann war gegen sechzehn Uhr zu einem Gestütin der Nähe von Königstein gerufen worden, um einen besonders wertvollen Zuchthengst zu behandeln, der von einer Sekunde zur andern zu lahmen angefangen hatte. Emily Gerber und Helena Malkow hatten im Clubrestaurant eine Flasche Rotwein geleert, Helena Malkow fast zwei Schachteln Zigaretten geraucht. Später stießen noch ein paar andere Bekannte zu ihnen. Die Nachricht hatte wie ein Blitz eingeschlagen, und jeder befürchtete natürlich gleich das Schlimmste.
    Eigentlich wollte sie abends noch ausreiten, aber irgendwie fehlte ihr, nachdem sich die Meldung wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, jeglicher Elan. Sie warf einen Blick auf ihren Mann. Die Hände hatte er über dem Bauch gefaltet, der Kopf hing leicht zur Seite, der Mund war einen Spalt geöffnet, er schnarchte leise. Sie streifte die Schuhe ab, rüttelte ihren Mann leicht an der Schulter, der erschrocken hochschoss.
    »Warum gehst du nicht ins Bett, wenn du müde bist?«, fragte sie ihn kühl, trat zur Bar und schenkte sich einen Kirschlikör ein.
    »Weil ich hier eingeschlafen bin, meine Liebe. Ich hatte letzte Nacht Notdienst, falls du das vergessen hast, und ich war den ganzen Tag auf den Beinen, während du dich auf dem Hof amüsiert hast. Aber keine Sorge, ich werde sofort ins Bett gehen, um dich mit meiner Gegenwart nicht weiter zu belästigen«, erwiderte er ironisch.
    »Ich habe mich nicht amüsiert. Mir scheint, du hast noch keine Nachrichten gehört, sonst würdest du nicht schlafen. Ein Mädchen ist verschwunden, eine unserer Reitschülerinnen. Sie haben es ein paarmal im Radio durchgegeben«, sagte sie und leerte ihr Glas in einem Zug.
    »Ich hatte bisher keine Zeit, die Nachrichten zu hören. Um halb acht hat mein letzter Patient die Praxis verlassen und danach musste ich noch einige Formalitäten erledigen. Um wen handelt es sich, wenn ich fragen darf? Oder bleibt das ein Geheimnis?«
    »Selina«, sagte sie nur und schenkte sich nach.
    »Bitte was?!« Er stand abrupt auf und sah sie ungläubig mit hochgezogenen Brauen an. »Selina wird vermisst? Seit wann?«
    »Seit gestern Abend halb elf. Es interessiert dich also doch, wie ich sehe.«
    »Emily, bitte, warum darf ich nicht einmal eine ganz normale Frage stellen? Wie schon gesagt, ich weiß von nichts, und wenn so was hier passiert, dann ist das doch gleich Ortsgespräch. Entschuldigung, wenn ich dir auf die Nerven gehe, aber ich bin vermutlich der Einzige in diesem verdammten Kaff, der es noch nicht weiß.«
    »Hat man nicht mal in deiner Praxis darüber gesprochen? Keine von den Tratschtanten?«, fragte sie spöttisch, hielt das Glas in der Hand, kam auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen. Eine leichte Alkoholfahne wehte ihm entgegen.
    »Was willst du denn damit schon wieder sagen? Ich tue meine Arbeit und du deine. Unsere Wege haben sich doch getrennt. Warum zerfleischen wir uns eigentlich so?«
    Ohne darauf einzugehen, sagte sie: »Selina, mein lieber Schatz, war doch auch deine Patientin, und nicht nur das …«
    »Was heißt hier war?«, fuhr er sie an. »Du sprichst von ihr, als wäre sie bereits tot. Ist sie denn tot? Hat man ihre Leiche gefunden? Außerdem habe ich ungefähr vierhundert Patienten und Patientinnen. Und was soll dieses ›und nicht nur das‹?«
    »Du bist ihr Patenonkel und uns verbindet mit Peter und Helga eine enge Freundschaft«, entgegnete sie mit

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