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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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den Engel, der sie jetzt war, den konnte nur er sehen. Er fuhr weiter, wohin, das würden die nächsten Stunden zeigen. Vielleicht wieder nach Königstein, vielleicht auch irgendwo anders hin. Er wusste jedoch, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis er auch den nächsten Engel geschaffen haben würde. Die Flügel waren schon bereit, der Engel musste nur noch fliegen lernen. Er würde es ihm schon beibringen.

Freitag, 14.45 Uhr
    Helga Kautz stand am Fenster und schaute gedankenverloren auf die Straße, als hoffte sie, Selina würde plötzlich mit dem Fahrrad um die Ecke kommen, als wäre nichts geschehen, es in die Garage stellen, ihr ein kurzes »Hallo« zurufen, wie immer, wenn sie nach Hause kam, fragen, was es zu essen gab, und sich erst einmal auf ihr Zimmer verziehen. Doch Selina kam nicht um die Ecke gefahren, kein Fahrrad, das sie in die Garage stellte, kein »Hallo«. Kein Klavierspiel, kein Griff zum Telefon,weil sie erst noch schnell Nathalie oder irgendeine andere Freundin anrufen musste, obwohl sie sich gerade erst gesehen hatten. Nur die Kommissare, die vor dem Haus hielten und ausstiegen. Sie ging zur Tür, um ihnen aufzumachen.
    »Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie schon wieder zu sehen.« Helga Kautz bat die Beamten ins Haus.
    »Frau Kautz«, sagte Hellmer, »setzen wir uns doch bitte. Ist Ihr Mann auch zu sprechen?«
    »Sicher. Er sitzt zwar grübelnd in seinem Arbeitszimmer, wie fast den ganzen Tag schon, und schaut sich immer wieder Fotos von Selina an, aber … Er hat sich geweigert, sich von Dr. Gerber etwas geben zu lassen. Warten Sie einen Moment, ich hole ihn.«
    Sie fragte nicht, weshalb Hellmer und Durant gekommen waren, doch die Kommissarin hatte das Gefühl, als ahnte sie, welche Nachricht sie ihr überbringen würden. Dennoch wirkte sie auch jetzt überaus gefasst.
    »Frank«, sagte sie im Flüsterton, »das wird jetzt hart. Wer von den beiden verkraftet es am ehesten?«
    »Willst du mich verarschen?! Wir sollten Gerber am besten gleich noch mal herbestellen …«
    Er sprach nicht weiter, als er Helga und Peter Kautz die Treppe herunterkommen hörte.
    »Bitte, nehmen Sie doch Platz«, sagte Helga Kautz und deutete auf die Sessel, während sie und ihr Mann sich auf die Couch setzten. »Haben Sie noch Fragen?« Allein ihre Augen verrieten ihre Gedanken, sie wusste, was gleich kommen würde.
    »Nein, keine Fragen. Wir sind hier, um Ihnen mitzuteilen, dass man Ihre Tochter gefunden hat. Sie ist tot.« Er sagte es kurz und bündig, als wollte er es so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    Für einige Sekunden herrschte lähmendes Schweigen. Frau Kautz verzog kaum eine Miene, ihr Mann hatte die Hände gefaltet und presste sie so fest aneinander, dass die Knöchel weiß hervortraten. Seine Mundwinkel zuckten verdächtig, seine Augen wurden glasig.
    »Wo?«
    »Bei der alten Zellulosefabrik«, antwortete Hellmer. »Der Arzt sagt …«
    »Mir ist es scheißegal, was Ihr verdammter Arzt sagt!«, schrie Peter Kautz und sprang auf, stellte sich an die Wand und hämmerte mit beiden Fäusten dagegen. »Mir ist es scheißegal!!« Er sank auf die Knie, sein ganzer Körper bebte. Er weinte hemmungslos wie ein kleines Kind, dem das liebste Spielzeug gestohlen wurde, doch der Schmerz, der ihn jetzt durchfuhr, war ungleich größer, denn er hatte etwas verloren, das nicht ersetzt werden konnte. »Ich halt das nicht mehr aus, ich halt das nicht mehr aus!«
    Helga Kautz nahm ihn in den Arm. »Wein dich ruhig aus«, sagte sie mit besänftigender Stimme, »wein dich ruhig aus.«
    »Selina, meine kleine Selina! Warum, warum, warum?!«
    »Wir wissen es doch nicht, keiner weiß es, außer derjenige, der ihr das angetan hat. Aber die Polizei wird ihn finden, und dann wird er seine gerechte Strafe bekommen«, sagte sie und streichelte über sein Haar.
    Er schien die Worte seiner Frau nicht zu hören, er schrie nur immer wieder den Namen seiner Tochter.
    Die neunjährige Anna kam herunter, blieb auf halber Strecke stehen, kniff die Augen zusammen und rannte sofort wieder auf ihr Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
    »Soll ich mal hochgehen und nach Ihrer Tochter schauen?«, fragte Durant.
    »Nein, lassen Sie nur, das mach ich schon selbst. Anna ist einfach völlig durcheinander.«
    »Können wir noch etwas für Sie tun?«, fragte Hellmer. »Ich denke, es wäre besser, wenn Dr. Gerber noch einmal kommen würde. Ich kann ihn gerne für Sie anrufen.«
    »Ja, das wäre vielleicht wirklich besser«,

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