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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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sagte sie und wandte ihren Kopf. Dicke Tränen rannen in breiten Bächen jetzt auch über ihr Gesicht.
    Hellmer ging zum Telefon und tippte die Nummer von GerbersPraxis ein. Gerber war selbst am Apparat, er hatte seine Sprechstunde vor über einer Stunde beendet, der letzte Patient war gerade gegangen. Er versprach, sich sofort auf den Weg zu machen.
    Julia Durant saß auf dem Sessel und beobachtete die Eltern von Selina, die sich wie Ertrinkende aneinander klammerten. Sie hätte ihnen gerne geholfen, aber sie wusste, in Momenten wie diesen gab es niemanden, der helfen konnte. Sie fühlte sich unendlich hilflos, spürte, wie die beklemmende Atmosphäre und die Trauer sich auch auf sie übertrug, und sie wollte eigentlich nichts mehr als ins Auto zu steigen, um weit, weit wegzufahren.
    »Dr. Gerber wird gleich hier sein«, meinte Hellmer, woraufhin Helga Kautz nur nickte, zu mehr war sie nicht fähig. »Wir warten noch so lange.«
    Er setzte sich neben Julia Durant und warf ihr einen kurzen, aber vielsagenden Blick zu. Peter Kautz erhob sich, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, die Augen geschlossen. Nur Sekunden später wankte er zur Terrasse und ließ sich auf einen der Stühle fallen. Seine Frau blieb auf dem Boden sitzen, die Augen stumpf und leer.
    »Warum Selina? Was hat sie getan?«, fragte sie stockend, der Kollaps war nur eine Frage von Minuten. »Vorgestern um diese Zeit war sie doch noch hier. Und jetzt? Was soll jetzt bloß werden?«
    »Frau Kautz, wir wünschten auch, wir hätten Ihnen niemals diese Nachricht überbringen müssen«, sagte Durant, doch Helga Kautz schien die Worte gar nicht wahrzunehmen.
    Wie in Trance fragte sie: »Wie hat sie ausgesehen? Sie haben sie doch gesehen, oder? Wie hat sie ausgesehen?«
    »Sie wurde erstochen.«
    »Erstochen? Jemand hat also meine kleine Selina erstochen«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Ich würde sie gerne sehen. Geht das?«
    Julia Durant ging zu ihr und setzte sich neben sie auf den Boden.Sie nahm Frau Kautz in den Arm und sagte: »Nein, Sie würden sich damit keinen Gefallen tun.«
    »Ich will sie aber sehen. Ich will nur noch einmal zu ihr. Bitte«, flehte sie.
    »Frau Kautz, Selina wurde in die Rechtsmedizin gebracht. Sie können dort nicht hin«, log sie.
    »Was macht man dort mit ihr? Schneidet man sie auf?«
    »Sie wird obduziert, das muss leider sein …«
    »Man schneidet sie also auf wie ein Stück Vieh.« Sie lachte auf, unwirklich und makaber.
    »Nein, nicht wie ein Stück Vieh, sondern wie einen Menschen, dem etwas Furchtbares angetan wurde. Wir müssen herausfinden, was genau vor ihrem Tod geschehen ist. Sie können sie aber vor der Beerdigung noch einmal sehen, das verspreche ich Ihnen.«
    Es klingelte, Hellmer ging zur Tür. Dr. Gerber. Er trat wortlos ein, sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Er sah die auf dem Boden sitzenden Frauen und sagte zu Hellmer in einem Ton, den er von Gerber nicht kannte: »Sagen Sie, dass das nicht wahr ist. Ich habe gehofft und gebetet, dass …«
    »Doch, leider.«
    Ohne etwas zu erwidern, stellte er seinen Arztkoffer ab und begab sich in die Hocke.
    »Helga, komm, leg dich auf die Couch. Ich gebe dir etwas zur Beruhigung.«
    »Ich will nichts!«
    »Es ist besser für dich …«
    »Was gut oder besser für mich ist, weiß ich selber. Ich will keins von deinen Mitteln!«
    »Helga, vertrau mir einfach. Anna und Elias brauchen dich noch. Ich will doch nur verhindern, dass du mir zusammenbrichst und wir dich ins Krankenhaus bringen müssen. Mach’s mir nicht so schwer, wir sind doch schließlich Freunde.«
    »Kümmere dich erst um Peter, er hat es dringender nötig.«
    »Nein, erst du. Frau Kommissarin, bitte sagen Sie ihr, dass ich es nur gut meine.«
    »Kannst du mir auch hier eine Spritze geben?«, fragte Helga Kautz mit bitterer Ironie. »Hier, mein Arm. Gib mir, was du für richtig hältst. Am besten eine Überdosis Morphium.«
    Er öffnete wortlos seinen Koffer, holte eine Spritze und eine Ampulle heraus, brach den Kopf der Ampulle ab und zog die klare Flüssigkeit auf. Die Vene war gut sichtbar, er stach die Nadel vorsichtig hinein. Nach etwa einer Minute sagte er: »So, das müsste erst mal reichen. Du solltest dich aber hinlegen, denn du wirst gleich sehr müde werden.«
    Hellmer und Durant fassten sie unter den Armen, halfen ihr hoch und führten sie zur Couch. Die Kommissarin legte ein Kissen unter ihren Kopf, Helga Kautz schloss die Augen.
    »Was haben Sie ihr gegeben?«
    »Zehn Milligramm

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