Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
übrigens auch an ihrer Pinnwand hängen, der Name ebenfalls rot eingekreist. Wir fragen uns jetzt, warum sie ausgerechnet den Vornamen rot markiert hat. André ist die französische Form von Andreas.« Sie hielt kurz inne, bevor sie ihre nächste Frage abschoss, diesmal eine Spur schärfer. »Dr. Gerber, waren Sie mehr als nur der Patenonkel von Selina?«
    Gerber hatte die Hände in den Hosentaschen. Er versuchte ruhig zu bleiben, auch wenn ihm die Nervosität wie mit großen Lettern ins Gesicht geschrieben stand. Im nächsten Moment war sein Blick jedoch wieder freundlich und offen wie zuvor.
    »Nein, ich war nicht mehr als der Patenonkel von Selina. Ist das ein Verhör?«, fragte er vorsichtig.
    »Es könnte möglicherweise eines werden. Selina wurde heute Nachmittag obduziert. Unser Gerichtsmediziner hat dabei festgestellt, dass Selina schwanger war. Er sagt, sie war in der sechsten bis siebten Woche. Wussten Sie davon?«
    Gerber schluckte schwer, noch mehr Schweißperlen auf der Stirn. Er wandte sich ab, kaute auf der Unterlippe. Es entstand eine Pause.
    »Nein, ich wusste nichts davon. Sie war schon seit längerer Zeit nicht mehr in meiner Praxis. Außerdem konsultierte sie bei Frauenbeschwerden eine Gynäkologin in Hofheim.«
    »Gut, wir werden in den nächsten Tagen Speichelproben aller Männer aus Okriftel im Alter zwischen fünfundzwanzig und fünfzig nehmen, um so den Vater des Kindes zu ermitteln. Sie fallen natürlich auch darunter.«
    Gerber drehte sich um, die Ruhe war endgültig verflogen. Er fuhr sich nervös über den Mund.
    »Frau Durant, Selinas Schwangerschaft war mir nicht bekannt. Sie hat nicht mit mir darüber gesprochen. Aber den Speicheltest können Sie sich sparen.«
    »Und warum?«
    »Mein Gott, wie soll ich es Ihnen erklären, damit Sie es nicht falsch verstehen. Selina und ich … Ich meine … O verdammt, ich habe es nicht gewusst, das schwöre ich!«
    »Was haben Sie nicht gewusst?«, hakte sie nach, die Stirn in Falten gelegt.
    »Das mit der Schwangerschaft.« Seine Nervosität steigerte sich noch weiter, er war nicht mehr in der Lage, dem prüfenden Blick der Kommissarin standzuhalten.
    »Sie geben also zu, ein Verhältnis mit ihr gehabt zu haben? Sie sagen ja selbst, dass wir uns den Speicheltest sparen können.«
    Gerber atmete ein paarmal tief ein und kräftig wieder aus, als versuchte er sich einer Last zu entledigen. Er stellte sich ans Fenster und schaute hinaus.
    »Es ist eine lange Geschichte, die sich nicht einfach mit ein paar Worten erklären lässt. Meine Frau und ich, wir haben ein schweres Jahr hinter uns. Ich dachte sogar, es würde auf eine endgültige Trennung hinauslaufen.« Er sah Durant kurz an, wandte den Blick jedoch gleich wieder ab. »Wissen Sie, wie das ist, eine Frau zu haben, die man liebt, die man geradezu vergöttert und die nichts mehr von einem wissen will, ohne dass man selbst weiß, warum sie einen nicht mehr liebt? Nein, das können Sie nicht, denn Sie sind eine Frau, aber Herr Hellmer kann es vielleicht nachvollziehen. Wir haben dieses Haus, wir haben zwei prächtige Töchter, und doch hat sich Emily von mir zurückgezogen. Ich habe mich gefragt, ob sie einen andern hat, aber ich habe diesen Gedanken wieder verworfen, denn sie war ja jede Nacht zu Hause. Sie hat immer hier geschlafen, sie im Schlafzimmer, ich in meinem Zimmer. Es fand nur noch eine verbale Kommunikation statt, Berührungen waren tabu.« Er stockte, drehte sich um und lehnte sich andie Fensterbank. Sein Blick hatte etwas Melancholisches, seine Mundwinkel zuckten verdächtig. »Bis gestern Nacht waren Berührungen tabu, bis gestern, als wir das von Selinas Verschwinden gehört haben. Allein die Nachricht hatte etwas verändert, als wäre ein Schalter umgelegt und das Licht angemacht worden. Wo vorher Dunkelheit war, war mit einem Mal Licht. Wir haben beschlossen, neu anzufangen, es noch einmal zu versuchen, denn ich weiß jetzt, dass sie mich noch liebt und sich nur eine Auszeit gegönnt hat. Sie ist schließlich noch so jung, und ich kann verstehen, wenn sie eine Krise durchgemacht hat. Und ich bin der Letzte, der so etwas nicht verstehen würde. Das ist die Wahrheit.«
    »Schön und gut. Sie haben uns aber noch nicht gesagt, was zwischen Ihnen und Selina war.«
    »Sie kam im Mai zu mir in die Praxis, sie war die letzte Patientin. Sie hatte einen Termin. Wir waren allein, und sie saß vor mir und hat mich so merkwürdig angeschaut. Sie war traurig, und doch war da etwas in ihren

Weitere Kostenlose Bücher