Kaltes Blut
Augen, dem ich mich nicht entziehen konnte. Sie hatte gerade mit ihrem Freund Schluss gemacht und hat mir die ganze Geschichte erzählt. Wir haben zwei Stunden zusammengesessen … Fragen Sie mich nicht, wie es passiert ist, aber sie kam ab da jeden Tag zu mir, zumindest fast jeden Tag. Sie war so unglaublich reif, sie war eigentlich erwachsen. Körperlich sowieso. Und ich hatte seit Monaten mit keiner Frau …«
»Sie wollen jetzt Selina die Schuld in die Schuhe schieben …«
»Moment«, wurde Durant von Hellmer unterbrochen, »kannst du mal kurz kommen?«
Durant ging mit Hellmer auf die Terrasse, wo dieser ihr zuflüsterte: »So geht das nicht, hörst du. Lass mich mit ihm allein sprechen. Bitte.«
»Wie du meinst«, sagte sie pikiert und setzte sich auf einen Gartenstuhl. Sie zündete sich eine Zigarette an, in ihrem Kopf drehte sich ein immer schneller werdendes Karussell. Dies war einfach nicht ihr Tag. Sie sah keinen Aschenbecher, stand auf und stellte sich auf den Rasen, um in aller Ruhe zu rauchen. Gerber sah es,kam mit einem kleinen Aschenbecher und stellte ihn wortlos auf den Tisch.
»Danke«, sagte Durant nur und nahm erneut Platz.
Als Gerber wieder im Zimmer war, sagte Hellmer: »Dr. Gerber, kommen Sie, setzen wir uns und unterhalten uns in aller Ruhe. Meine Kollegin ist manchmal etwas sehr direkt, das dürfen Sie ihr nicht übel nehmen. Erzählen Sie mir einfach, wie es passiert ist.«
Gerber schien erleichtert, mit jemandem sprechen zu können, den er schon länger kannte, wenn auch nur als Patienten. »Möchten Sie etwas trinken? Das gilt natürlich auch für Ihre Kollegin?«
»Zu einem Glas Wasser sage ich nicht nein. Und für Frau Durant bitte auch.«
Er holte eine Flasche und Gläser und schenkte ein. Dann setzte er sich Hellmer gegenüber, trank einen Schluck, behielt das Glas aber in der Hand, als wollte er sich daran festhalten. Hellmer brachte Durant ihr Glas und grinste sie an, ohne etwas zu sagen. Ihr Blick war eisig.
Nachdem er sich wieder gesetzt hatte, begann Gerber: »Meine innere Stimme hat mich von Anfang an gewarnt, mich auf dieses waghalsige Abenteuer einzulassen. Aber Selina, Sie haben sie ja nicht oder kaum gekannt. Sie hat nicht lockergelassen. Sie konnte so unglaublich kokett sein, sie hatte eine Art, die mich im wahrsten Sinn des Wortes um den Verstand brachte. Dazu kam natürlich ihre Intelligenz. Wir haben schon einige Male zuvor tiefschürfende Gespräche geführt, die man normalerweise mit einer jungen Dame ihres Alters nicht führen kann, weil einfach das Verständnis fehlt. Jedenfalls, sie hat vor mir gesessen, in ihrer engen Reithose, unter der sich jede Sehne und jeder Muskel abzeichnete … Entschuldigen Sie, aber das ist unwichtig«, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Ich habe das erste Mal mit ihr an diesem Abend geschlafen. Es ist einfach passiert. Aber sie hat die Pille genommen, von daher war ich sicher, sie würde nicht schwanger werden. Und ich habe es bis eben nicht gewusst, das schwöre ich. Ich habe Selina jedoch von Anfang an klar gemacht, dass ich michnie von meiner Frau trennen würde, ich habe ihr auch nie irgendetwas versprochen oder Andeutungen gemacht. Sie wusste auch nichts von den Differenzen zwischen Emily und mir. Sie hat mich zwar einmal gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, sie zu heiraten, wenn ich nicht verheiratet wäre, aber ich habe ihr keine Antwort darauf gegeben, denn ich wollte ihr keine unnötigen Hoffnungen machen.«
»Warum haben Sie dann überhaupt eine Beziehung mit ihr angefangen?«, fragte Hellmer behutsam weiter.
»Es hat sich einfach ergeben. Selina und schließlich auch ich wollten es so … Ja, wir haben miteinander geschlafen, und ich war der erste Mann in ihrem Leben. Und ich bereue es zutiefst, mich so gehen gelassen zu haben, glauben Sie mir. Vor allem jetzt, wo das mit ihr passiert ist. Aber ich kam einfach nicht mehr los von ihr. Und das Schlimme ist, es lässt sich nicht mehr rückgängig machen.« Er war sichtlich bestürzt, Hellmer merkte es ihm an. Das ist keine Schauspielerei, dachte er nur.
»Wo waren Sie am Mittwochabend zwischen zweiundzwanzig Uhr dreißig und vier Uhr morgens? Ich muss Sie das fragen.«
»Ich hatte Notdienst.«
»Hatten Sie auch Patienten in dieser Nacht?«
»Ja, um halb elf kam eine Frau mit einer schweren Schnittwunde, die ich versorgt habe. Ansonsten war die Nacht ruhig, bis auf eine kleine Ausnahme.«
»Wann haben Sie Selina zuletzt gesehen?«
»Sie kam um kurz
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