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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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Ziegenkäse und hörte ihm zu, als er über einen ziemlich kompliziert klingenden Wirtschaftsprozess erzählte. Auch wenn seine Kanzlei bisweilen Strafsachen übernahm, spezialisiert waren Oskar und seine Partnerin auf Wirtschaftsrecht. Ohne dass ich es wollte, kam mir der Gedanke, dass Oskar einer war, der van der Fluh und die Kauf-AG vor Gericht vertreten würde, wenn sie gegen irgendwelche Lieferanten, aber auch gegen Kundinnen oder Kassiererinnen Klagen erhoben. Aber warum sollte die Kauf-AG schon gegen eine Kassiererin klagen? Für sie gab es andere Mittel, um sich durchzusetzen. Welche Mittel? Und: Heiligte der Unternehmenszweck jedes Mittel?
    Ich nahm noch einen Schluck Burgunder und ließ mich von Oskars angenehm unaufgeregtem Sprechfluss einlullen.
    Oskar hatte das Thema gewechselt und erzählte nun, dass die bisherigen Mietwohnungen im kommenden Jahr in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollten. Ich hielt das zuerst für eine eher grundsätzliche politische Anmerkung, ich hatte schon davon gehört, dass der Staat Wohnungen versilbern wollte, um Geld in die leeren Kassen zu bekommen.
    »Ich muss mich entscheiden, ob ich das Vorkaufsrecht in Anspruch nehme und die Wohnung kaufe oder nicht.«
    »Deine Wohnung?« Ich versuchte, meinen Aufmerksamkeitspegel zu erhöhen. Miles Davis arbeitete im Verbund mit der Wärme weiterhin dagegen.
    »Welche sonst? Ich habe gesagt, ich muss meine Wohnung kaufen oder mir mittelfristig etwas anderes suchen. Was meinst du?«
    Irritiert sah ich ihn an. »Die Wohnung ist wunderschön.«
    »Ja, ich hänge auch sehr an ihr. Aber mittelfristig …« – schon wieder »mittelfristig«, das klang so nach sorgfältig formuliertem Anwaltsbrief – »… mittelfristig wird man Entscheidungen treffen müssen, wie es weitergeht.«
    Schon wollte ich über seinen vagen Anwaltston spötteln, als mir klar wurde: Er sprach über unsere Beziehung. Wollte er etwa nicht mehr? Ich sah ihn verwirrt an. »Was für Entscheidungen?«
    »Na ja.« Er zögerte. »Wir sind jetzt ein halbes Jahr zusammen.«
    »Ein schönes halbes Jahr«, wollte ich dazwischenrufen.
    Oskar fuhr langsam fort. »Irgendwann, ich sage nicht, sofort, aber irgendwann wird sich die Frage stellen, ob es nicht an der Zeit ist, zusammenzuziehen. Auch weil es praktischer ist.« Jetzt sah er mich mit großen Seehundaugen an, und mir wurde klar, dass er vor meiner Reaktion Angst hatte. Wir bewegten uns plötzlich auf dünnem Eis. Ich wollte nicht weitergehen, hatte mich dort wohl gefühlt, wo wir waren. Was machte es schon aus, immer wieder eine Tasche mit der Kleidung für den nächsten Tag zu packen? Aber Oskar hatte sich, ob ich es wollte oder nicht, hinausgewagt. Ich war ihm eine Antwort schuldig.
    »Vielleicht«, begann ich, »wäre es ein Anfang, dass du einen Kasten für mein Zeug freiräumst und ich einen Kasten für dein Zeug freiräume?«
    »Und Gismo?«
    Ich seufzte. Dass Oskar viel öfter bei mir als ich bei ihm übernachtete, hatte vor allem mit Gismo zu tun. Und mir war es auch recht. So schön und so behaglich Oskars Wohnung auch war: Ich hing an meiner eigenen. Andererseits wäre es Oskar schwer zuzumuten, von seiner Dachterrassenwohnung in meine gemütliche, aber alles andere als luxuriöse Altbauwohnung ohne Lift zu ziehen. Gar nicht zu reden davon, dass mir ein gewisser Freiraum eben wichtig war, und sei es nur, weil ich mich in den letzten Jahren daran gewöhnt hatte. Ich trank das letzte halbe Glas Rotwein in einem Zug aus.
    »Ich wollte dich nicht drängen«, sagte Oskar, und er klang etwas verletzt, »aber in den nächsten Monaten muss ich entscheiden, was ich mit meiner Wohnung tun soll.«
    Behalte sie, wollte ich ihm sagen, und ich behalte meine, und wir machen weiter wie bisher. Aber ich sagte nichts.
    »Willst du mich überhaupt auf Dauer … oder zumindest bis übermorgen?«, fragte Oskar leise.
    »Zumindest bis überübermorgen. Und das jeden Tag.« Ich war plötzlich so gerührt, dass ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel blinzeln musste. »Und du?«
    »Ich will dich.«
    Wir blieben sitzen, wo wir waren, nicht einmal unsere Hände berührten sich. Wir sahen einander an. Oskar begann zu lächeln, dann zu strahlen. »Ich habe mich fast nicht getraut zu fragen, ich wollte nicht alles zerstören. Also: Wohin ziehen wir … mittelfristig, natürlich? Zu dir? Zu mir? Oder wollen wir uns eine neue gemeinsame Wohnung suchen? Ein Haus?«
    Ich räusperte mich. »Wie wäre es, wenn wir trotzdem noch alles ließen,

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