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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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Mörder,
der in Panik geraten war und das Opfer einfach liegen gelassen hatte.
Das beides passte einfach nicht zusammen.
    Es sei denn …
    Es sei denn, der Mörder war gestört worden, als er versucht
hatte, die Leiche wegzuschaffen. Er hatte sich vielleicht einen Ort
ausgesucht, wo er sie deponieren konnte, ohne fürchten zu müssen, dass
sie entdeckt wurde, doch dann war auf dem Weg dorthin irgendetwas
passiert. Das Gift hatte nicht richtig gewirkt: Die vermeintliche
Leiche war wieder zum Leben erwacht. Lapslie fühlte seinen Puls rasen,
als all diese Gedanken in seinem Kopf herumwirbelten. Der
Mörder – oder vielmehr an diesem Punkt der potenzielle
Täter – biegt in eine einsame Straße ein, um dem Ganzen durch
einen schnellen Hieb auf den Hinterkopf mit einem handlichen
Gegenstand – Schraubenschlüssel, Hammer – ein Ende zu
machen. Aber warum fährt er nicht weiter, nachdem das Opfer nun tot
ist? Warum lässt er die Leiche dort liegen?
    War er gestört worden? Hatte jemand den Wagen gesehen, der da
am Straßenrand parkte, und hatte derjenige gebremst, um zu sehen, ob
Hilfe benötigt wurde? Hatte der Mörder die Leiche liegen gelassen, wo
sie lag, um sich mit dieser Störung zu befassen?
    Die regenschweren Wolken über ihm waren dunkel, doch zu einer
Seite hin war blauer Himmel. Die Sonne schien schräg über die
Landschaft, beleuchtete sie mit einem seltsam goldenen Glühen vor dem
schwarzen Hintergrund. Es sah eher aus wie eine Bühnenkulisse als wie
ein Ort in der wirklichen Welt. Lapslie verdrängte das Problem in den
Hinterkopf, wo sein Unterbewusstsein darauf herumkauen konnte, und
beschloss, die Geruhsamkeit der Fahrt zu genießen.
    Nach einer halben Stunde fuhr er dieselbe von Bäumen gesäumte
Straße entlang wie vor ein paar Wochen. Der Regen hatte die Luft vom
Staub befreit, und die Blätter leuchteten in geradezu übernatürlichem
Glanz auf, wenn die Sonne darauf fiel. Lichtpfeile fielen durch die
Lücken zwischen den Bäumen, scharf umrissen durch die Feuchtigkeit der
Luft. Er verlangsamte das Tempo, als er an die Kurve kam, wo der
Autounfall sich ereignet hatte, fuhr auf den Seitenstreifen und parkte
unter den Bäumen, wobei seine Reifen sich tief in den Schlamm wühlten.
    Lapslie stieg aus, blieb einen Augenblick stehen und atmete
die erdige Feuchtigkeit der Luft ein. Das Team von der Spurensicherung
hatte seine Ausrüstung mitgenommen und war verschwunden. Außer einem
zertrampelten Stück Waldboden, wo das Zelt gestanden hatte, erinnerten
nur noch ein paar gelbe Plastikbandreste an seine Gegenwart.
    Er wandte sich um und schaute die Strecke zurück, die er eben
entlanggefahren war. Wenn er recht hatte – und es war ja im
Augenblick nicht einmal eine Theorie, mehr eine Hypothese –,
dann war der Mörder auf dieser Straße unterwegs gewesen, dorthin, wo er
die Leiche seines Opfers verschwinden lassen wollte. Aus irgendeinem
Grund hatte er angehalten, und sein Opfer – das nicht ganz tot
war – hatte die Gelegenheit zu einem Fluchtversuch genutzt.
Ein rascher Schlag auf den Hinterkopf, und das Opfer war wirklich tot.
Der Mörder wickelte es in Plastikfolie und ließ es dort, statt dorthin
weiterzufahren, wo er die Leiche ursprünglich hatte deponieren wollen.
    Erste Frage: Warum hatte der Mörder angehalten? Sofort fielen
ihm drei Möglichkeiten ein. Entweder hatte das Opfer Lebenszeichen von
sich gegeben und musste rasch erledigt werden, oder es war dort auf der
Straße bereits etwas gewesen, das ihn zwang, anzuhalten, oder aber der
Wagen hatte eine Panne gehabt. Welche dieser Möglichkeiten war die
wahrscheinlichste? Wenn das Opfer Lebenszeichen von sich gegeben hatte,
während der Mörder fuhr, dann hätte er kurz anhalten und hart genug
zuschlagen können, um die Sache zu erledigen. Weshalb aber die Leiche
hier zurücklassen? Warum nicht weiterfahren, zu der Stelle, wo er sie
eigentlich hinbringen wollte? Also diese Idee konnte er streichen. Wenn
etwas auf der Straße gewesen wäre – ein Auto, das Probleme
hatte, vielleicht –, warum dann anhalten? Oder wenn der Mörder
zum Anhalten gezwungen worden wäre – durch eine Polizeistreife
vielleicht –, warum dann die Leiche genau da abladen, wo
andere Leute zugegen waren? Noch einmal – warum nicht einfach
weiterfahren?
    Nein, je mehr Lapslie darüber nachdachte, desto überzeugter
war er, dass der Wagen des Mörders eine Panne gehabt hatte.
    Er sah es förmlich vor seinem inneren Auge ablaufen, vor der
malerischen

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