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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nigel McCrery
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alledem geschah. Violets Kopf veränderte lediglich seine Form, eine
Einbuchtung zeigte sich unter dem spärlichen grauen Haar. Annie musste
wieder an die Enteneier denken, die sie als Kind gegessen hatte,
hartgekocht, und die Schalen zersprangen unter einem Löffel. Und Violet
sackte höchst unelegant mit einem leisen Seufzer auf den Waldboden, und
die Luft verließ ein letztes Mal ihre Lunge, auf immer befreit von
diesem alten Körper.
    Annie setzte sich eine Weile neben sie, um sich auszuruhen,
und ließ die gedämpften Laute des Waldes – das sanfte Rascheln
des Windes in den Blättern, das Zwitschern der Vögel –
Anspannung und Erschöpfung aus ihren Knochen verscheuchen. Dann griff
sie hinüber und fühlte Violets Puls, sowohl an ihrem stockdürren
Handgelenk als auch an den ledrigen Wülsten ihres Halses, doch da war
nichts zu finden. Das Blut in all den vorquellenden violetten Adern
stand still.
    Leicht schwankend ging Annie zum Wagen zurück, einerseits, um
die Plastikfolie zu holen, die sie im Auto aus dem Haus mitgebracht
hatte – es war die, auf die sie Violets Leiche gelegt hatte,
als sie sie wusch –, doch andererseits auch, um nachzusehen,
ob jemand des Wagens wegen angehalten hatte. Die Straße war leer, war
es wahrscheinlich die ganze Zeit gewesen, seit die Reifenpanne passiert
war. Sie klappte den Kofferraum auf und holte die graue Plastikplane
heraus. Doch dann stockte sie. Was wollte sie eigentlich? In den Wald
zurückgehen, Violets Leiche einwickeln und sie vergraben, so gut es
ging? Doch der Boden war hart und ohne Schaufel schwer aufzugraben, und
wenn sie später wiederkommen und die Leiche holen wollte, wie sollte
sie sie finden? Allerhöchstens die Kurve, vor der sie zum Stehen
gekommen war, wäre verlässlich wiederzuerkennen. Vielleicht sollte sie
Violets Leiche mehr oder weniger den ganzen Weg zurückschleppen und sie
dicht beim Straßenrand verscharren. Auf diese Weise war es dann
leichter, sie wiederzufinden. Außerdem konnte sie hier hören, wenn
jemand anhielt, um ihr zu helfen.
    Annie blickte sich um und sah einen verrotteten Baumstamm halb
aus der Erde ragen, Opfer eines längst vergangenen Sturms. Sie ging hin
und versetzte einem der Äste versuchsweise einen Stoß. Der Stamm kippte
leicht zur Seite und gab eine feuchte Vertiefung frei, wo er zuvor
gelegen hatte, und darin bleiche weiße Wurzeltriebe. Sie überlegte
einen Moment. Wenn sie diesen Stamm aus dem Weg räumen konnte, so würde
er etwas Ähnliches hinterlassen wie ein halb ausgehobenes Grab. Sie
konnte Violets Leiche in die Plane wickeln, sie herschleppen, in das
Grab legen und mit Blättern und Erde bedecken. Das würde genügen, bis
sie zurückkommen konnte. Ja, das würde genügen.
    Es dauerte zehn Minuten, bis sie den morschen Stamm
beiseitegeschafft und ihn so gelagert hatte, als habe er schon immer
dort gelegen. Violets Leiche in die Folie einzurollen, sie an den
Straßenrand zurückzuschleifen und sie in die Vertiefung zu legen,
dauerte weitere fünf Minuten, ebenso der Aufwand, Zweige und Lehm und
Blätter über die Plastikfolie zu häufen.
    Doch inmitten der Arbeit, als die in Plastik gehüllte Leiche
bereits in der Vertiefung im Waldboden lag, aber noch nicht abgedeckt
war, hörte Annie weit entfernt Motorengeräusche. Sie hielt inne.
Ausgerechnet jetzt war nun der ungeeignetste Zeitpunkt, sich Hilfe
anbieten zu lassen. Rasch trat sie in die Dunkelheit des Waldes zurück.
Der Wagen kam näher. Sie warf einen Blick auf den Volvo, ob auch die
Türen geschlossen waren und die Warnblinkanlage nicht flackerte.
Beruhigt zog sie sich noch tiefer in den Wald zurück, bemühte sich,
eins zu werden mit den Bäumen. Das Motorengeräusch veränderte sich, als
sich der Wagen der Kurve näherte. Einen Moment fürchtete sie, er werde
anhalten, weil der Fahrer den Volvo gesehen hatte und nun am
Straßenrand parken und sehen wollte, ob jemand Hilfe brauchte, aber wer
auch immer darin saß, er schaltete lediglich einen Gang herunter, als
die Kurve näherkam. Er fuhr vorüber, der Fahrer nur eine verschwommene
Gestalt, und dann veränderte sich das Motorengeräusch wieder, und der
Wagen beschleunigte und fuhr davon.
    Als sie sicher war, Violets Leiche komplett zugedeckt zu
haben, trat Annie zurück und betrachtete prüfend ihr Werk. Abgesehen
von einem länglichen Höcker im Waldboden, nicht anders als so viele
andere, die sie ringsum sah, gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass
hier ein menschliches Wesen ruhte. Nicht

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