Kaltes Herz
anziehen, im Fahrtwind wurden die Hände am Lenkrad schnell schmerzhaft kalt, besonders wenn so viel Feuchtigkeit in der Luft war.
«Warten Sie!»
Diesmal war es die Stimme eines Mannes. Heinz seufzte. Was war denn nun noch? Er reckte erneut den Hals, um sich nach dem Rufer umzusehen.
Professor Regenmacher kam im Laufschritt aus der Toreinfahrt und zog sich, in einer Hand eine kleine Reisetasche, mit energischem Schwung auf den Sitz neben Heinz herauf.
«Ich muss zum Bahnhof», sagte Regenmacher schlicht und setzte sich.
Heinz mochte es, wenn er mit ihm fuhr, die Gespräche mit ihm waren interessant, auch wenn er sich manchmal ausgelacht fühlte, ohne zu wissen, weswegen. Immerhin bekam er immer eine kleine Aufwandsentschädigung.
Als Heinz anfuhr, gruben sich die Reifen durch den Schlamm in den Fahrrinnen der Waldstraße. Es würde dauern, bis sie auf dem gepflasterten Teil der Straße waren und der Wagen richtig Fahrt aufnehmen konnte, so wie er es mochte.
«Bahnhof, Post, Wäsche. Ich könnte ein Taxiunternehmen aufmachen. Sie sitzen übrigens auf dem Brief.»
Regenmacher zog das zerdrückte Bündel unter sich hervor.
«Verzeihung.»
Er reichte es Heinz, ein paar kleine Münzen kollerten heraus, und auch die Zettel blieben nicht an ihrem Platz. Hoffentlich hatte sie eine Anschrift dazugelegt, sonst könnte er lange versuchen, den Brief loszuwerden.
Regenmacher bückte sich und hob Brief und Münzen auf.
«Was ist denn das?», wollte er wissen.
Heinz zuckte die Achseln.
«Geheimpost von dem neuen Mädchen.»
Regenmacher wirkte interessiert.
«Wissen Sie etwas über sie?»
«Ich? Gar nichts. Sie hat mich nur gebeten, den Brief mitzunehmen. Sie will nicht, dass die Pflog es mitbekommt.» Heinz grinste. «Und sie hat mir einen Kuss versprochen, wenn ich es mache.»
Er steuerte um eine Pfütze von der Größe eines Froschteichs herum und warf einen Seitenblick auf Regenmacher. Vielleicht hätte er das Letzte besser nicht erzählen sollen.
«Sie verraten das Mädchen doch nicht? Ich will bei ihr keinen schlechten Ruf bekommen.»
Regenmacher hielt den zusammengefalteten Brief in der Hand.
«An Charles Peter Jackson.
Wintergarten
, auszuhändigen an den Laufburschen Willem.» Regenmacher klang unzufrieden. «Glaubt sie etwa, dass er den Brief auf diese Weise bekommt?»
Heinz zuckte die Achseln. Das war ihm egal, und es ging ihn auch nichts an. Viel wichtiger war, dass sie endlich die gepflasterte Straße erreichten, die sie ins Zentrum des Ortes bringen würde. Heinz beschleunigte, und wie jedes Mal breitete sich dadurch reines Glück in seinem Innern aus.
«Sechsundvierzig Kilometer in der Stunde sind mein Rekord bisher», rief er Regenmacher über den Lärm hinweg zu. «Und sie fährt nicht mit Dampf oder Elektrizität, sondern mit einem neuen Kraftstoff, den sie aus Erdöl gewinnen, ein zweizylindriger Boxermotor, und das Steuerrad hat Achsschenkellenkung. Unglaublich bequem, man kommt auch mit vier Rädern um alle Hindernisse herum.»
Regenmacher hielt mit einer Hand seinen Hut fest, mit der anderen klammerte er sich an die vordere Haltestange und zerdrückte dabei den Brief noch mehr.
«Achtung, ich zeig Ihnen das mal!»
Heinz’ Grinsen zog sich fast schmerzhaft in die Breite, er steuerte scharf nach links und setzte an, den Vierspänner zu überholen, der vor einer halben Minute vor ihnen in Sicht gekommen und nun bereits dicht vor ihnen war. Er wusste vorher, was passieren würde: Die Pferde scheuten, und der Kutscher schimpfte hinter ihnen her.
Ein Seitenblick auf Regenmacher zeigte dessen bleiches Gesicht, was den Spaß erst perfekt machte. Trotzdem, Regenmacher hielt sich ziemlich gut, das musste er ihm lassen.
«Woher haben Sie überhaupt das Geld für so ein Automobil? Was kostet so etwas?»
«Was schätzen Sie?»
«Um die tausend Goldmark?»
«Tausendsechshundert. Es ist aber nicht wirklich meins, es gehört der Stadt.»
Heinz musste brüllen, um den Lärm zu übertönen, den das Kopfsteinpflaster unter den Rädern verursachte.
«Ich fahre es nur zu Testzwecken. Wie lange es hält, wie viel es verbraucht, wie viel man damit schafft. Kosten gegen Nutzen. Wenn es sich rentiert, werden sie mehr anschaffen. Polizei, Omnibusse, Lieferwagen, solche Sachen.»
«Und Sie benutzen es für schmutzige Wäsche?»
«Meine Aufgabe ist nur, es so viel zu bewegen wie möglich. Niemand hat gesagt, dass ich dabei nicht ein bisschen was verdienen darf.»
Regenmacher nickte und blickte
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