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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Freise
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angestrengt auf die Straße, während Heinz noch immer so schnell fuhr, wie die Maschine es ihm erlaubte.
    «Und es fährt mit Benzin?», wollte Regenmacher wissen.
    «Ja.»
    «Teuer?»
    «Dampf ist billiger. Aber Benzin hat mehr Kraft. Es macht ein Automobil vom schnaufenden Ackergaul zum galoppierenden Araber.»
    «Wussten Sie, dass unser Kaiser denkt, dass Automobile niemals Pferdewagen ersetzen werden?»
    «Und was denken Sie darüber?»
    Regenmacher lächelte.
    «Ich denke, die Automobile der Zukunft werden weder mit Dampf noch elektrisch, noch mit Benzin fahren.»
    «Ach. Sondern mit Pferden?»
    Jetzt lachte der Professor.
    «Mit einer Energieform, die heute noch niemand kennt oder begreift. Die nichts kostet und die überall in unerschöpflichem Maß vorhanden ist. Bald wird sich jeder ein eigenes Automobil leisten können und völlig umsonst damit fahren.»
    Für Heinz klang das eher nach einem Märchen aus ferner Vergangenheit als nach Zukunft.
    «Wenn niemand daran verdienen kann, den Kraftstoff zu verkaufen, dann werden auch keine Automobile gebaut, die damit laufen.»
    Regenmacher wollte etwas erwidern, hielt dann aber inne.
    «Sie meinen, man müsste diesen Kraftstoff künstlich verknappen, damit er interessant wird?»
    «Wenn Luft knapp wäre, würde sie auch ein Vermögen kosten.»
    Regenmacher schwieg einen Moment, bevor er antwortete.
    «Sie scheinen ein intelligenter und geschäftstüchtiger junger Mann zu sein», sagte er schließlich.
    Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden, und obwohl er Heinz gelobt hatte, schien er plötzlich unzufrieden.
    «Bahnhof», sagte Heinz und bremste jäh, sodass Regenmacher sich wieder mit beiden Händen abstützen musste.
    Er tastete mit zwei Fingern in der Westentasche nach Kleingeld. Dann hielt er inne.
    «Ich gebe Ihnen zwei Mark, wenn Sie mir den Brief geben.»
    «Na, das ist aber nicht anständig von Ihnen.»
    «Dass Sie dem Mädchen einen Kuss abpressen, ist ebenfalls nicht anständig. Was sagen Sie?»
    Heinz überlegte. War ein Kuss von Henriette Keller mehr wert als zwei Mark?
    «Eben erschienen Sie mir noch sehr geschäftstüchtig. Jetzt erscheinen Sie mir eher romantisch», sagte Regenmacher herausfordernd.
    Der Professor hatte recht, er war gut darin, Geschäfte zu machen.
    «Wissen Sie, ich kenne ja Ihre Motive gar nicht. Was, wenn sie unlauter sind?»
    «Ich versichere Ihnen, ich habe weder unmoralische noch ehrenrührige Gründe. Es ist im Interesse des Mädchens, dass der Brief sein Ziel nicht erreicht, während sie in dem Glauben bleibt, er
habe
sein Ziel erreicht. Es ist zu ihrem eigenen Schutz und Besten.»
    «Aha.»
    «Sie müssen sich keine Sorgen um das Mädchen machen, das kann ich Ihnen versichern.»
    Heinz wand sich noch ein wenig, um Widerwillen zu zeigen, aber im Grunde hatte er längst entschieden.
    «Wissen Sie», sagte er, «ich verstehe Sie. Man ist schließlich nur ein Mann. Und im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt, richtig?»
    «Sie missverstehen mich.»
    «Wie auch immer, Herr Professor. Ich nehme die zwei Mark.»
    Der Professor legte zwei schwere Silbermünzen in Heinz’ Hand, nahm den Brief und steckte ihn in die Manteltasche.
    «Und den Kuss vergessen Sie natürlich.»
    «Selbstverständlich.»
    Regenmacher nickte und verschwand im Bahnhof.
    Heinz steckte die Münzen ein und dachte an Henriette Keller, an ihre weißen Arme, an ihre Brüste. Welchen Grund sollte es schon geben, auf den versprochenen Kuss zu verzichten?

[zur Inhaltsübersicht]
    11
    F rau Keller trat aus einer schattigen Gasse auf die breite, sonnenhelle Oranienburger Straße. Wie immer war sie elegant gekleidet, ganz in Schwarz, nur ihre Schuhe erschienen Willem zu spitz, sodass sie die Füße beim Gehen leicht auswärtsdrehen musste. Das Postfuhramt hatte seinen Rachen aufgesperrt, die gelben und roten Fassadenklinker leuchteten wie Feuer, und gleich würde Frau Keller, wie jeden Tag, die Stufen hinaufsteigen und in der nach Papier und Stempelfarbe riechenden Kühle verschwinden. Seit Tagen ging das so, einmal hatte Willem sich sogar schon hinter ihr angestellt, um einen Blick auf den Briefumschlag werfen zu können. Nur hatte er Mister Jackson die Anschrift dann nicht aufschreiben können, weil er nun einmal nicht schreiben konnte. Vielleicht sollte er ihr den Brief einfach aus der Hand reißen, sobald sie ihn aus der Tasche zog. Und dann rennen. Das Blöde war nur, dabei geschnappt zu werden war viel wahrscheinlicher, als mit der Beute zu

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