Kaltgeschminkt (German Edition)
beherrscht zu haben.
»… danach befolgst du die Destillation, wie hier beschrieben und zapfst das Serum in einen der leeren und dampfgereinigten Flacons. Dampfgereinigt, klar? Am besten du kaufst neue und reinigst die nochmal.«
Ich nicke mechanisch.
»Die Besonderheit am Aeonum ist«, doziert James unermüdlich, »dass es die Psyche sozusagen in einem Zustand des klaren Bewusstseins zurückholt. Sozusagen ein Zustand wie bei Selbstmördern, die sich noch mit einem Finger ans Leben klammern. Der Geist erwacht, der Körper wird abgestoßen, und somit löst sich die Seele, um durch das Pandämonium zu waten, bis die drei Pisser sich bequemen, sie an der Kreuzung aufstellen zu lassen.«
»Damit sie ihre letzte Wahl treffen kann«, vervollständige ich.
»Genau. Als würde man im lebenden Zustand in die pure Hölle gestoßen werden. Daher bevorzugen sie die gewaltsam verschiedenen Toten. Der Überraschungseffekt ist auf ihrer Seite und die machen somit einfach mehr Spaß.«
Er hebt den inzwischen sperrig gewordenen Nacken des Toten an um ihn zu erhöhen.
»Findest du es nicht grausam?«, will ich wissen.
James zuckt die Schultern. »Nein. Es ist nun mal so. Schließlich wird die Ewigkeit scheiße lang sein. Wir kommen immerhin alle dorthin. Nur nicht alle mit dem gleichen Schicksal wie die armen Teufel hier – tja, ungezügelter Spaß im Leben fordert eben seinen Tribut. Sofern manche von uns nicht schon einen kurzen Abstecher dorthin gemacht haben.«
Er wirft mir einen schmaläugigen Blick zu. Ich ignoriere seine unausgesprochene Frage und sage: »Trotzdem kann man die Wahl nur einmal treffen. Wenn man sich für Gaja und somit für ›Avronelle‹ entscheidet, und sich bei irdischem Bewusstsein für eine Ewigkeit in Gold und Überfluss entscheidet, ist man theoretisch in der Lage, in dieser Langeweile wahnsinnig zu werden.«
»Nicht nur theoretisch«, grinst James. »Todsicher mein Freund, todsicher.«
So ganz will ich das Prinzip des Jenseits einfach nicht verstehen. »Wer sollte sich dann für den Herrn des Chaos entscheiden? Etwa Masochisten?«, frage ich.
»Oder Büßer. Christen mit Hang zur Selbstgeißelung. Davon gibt es ja glücklicherweise genügend. Da wird Arcaeon reichlich Gesellschaft haben.« Er schneidet Peer Yngve vorsichtig aus seiner Kleidung.
»Nun gut, die masochistischen Büßer und die Unmäßigen. Und nach ›Blac‹ die Hoffnungsvollen? Jene, die noch eine Chance verdienen wollen? Die zurück wollen in das Chaos hier? Oder was?«
»Richtig. Sie finden oft, dass ihr Tod ungerechtfertigt ist. Dass sie noch eine Chance verdienen und solches Blabla eben. Du kennst ja die Menschen. Zuerst wird ausschweifend gesündigt und danach kommen die Krokodilstränen. Aber der Herrscher von ›Blac‹ ist ja kein Unmensch , hah! Sie kriegen ihre Chance. Nur er bestimmt, wie und als was. Irgendwie lustig, oder?«
Ich ziehe die Schultern zusammen. »Eher nicht.«
Abrupt lässt er von der Leiche ab. „Gerade du solltest wissen, dass die Menschen kaum besseren Gesetzen unterliegen als die Tiere. Der Stärkere gewinnt, der Schwache verliert und der in der höheren Position spielt seine Spiele mit den Niederen. Stell dir vor, du hast als Mensch die Möglichkeit dich als nächstes für ein weniger anspruchsvolles Leben zu entscheiden. Sicher wärst du wahnsinnig gern ein einfaches aber beliebtes Lasttier wie ein Pferd. Nur nicht zu klein darf es natürlich sein. Und auch nicht zu einfach. Man hat ja seinen Stolz. Wie wäre es mit einer Kuh? Nein, die gibt zwar gute Milch und kann den ganzen Tag scheißen, wo sie steht, woraus man sicher auch wieder straffende Gesichtscreme für ›Dita von Teese‹ macht. Dennoch gibt sie auch Fleisch und Haut. Somit entscheidet man sich eben doch für einen Gaul. Dann löst sich die Seele am Ende deines Lebensfädchens erneut ab und man entscheidet, dass das Leben als Solches auch irgendwie zu anstrengend war. Leider kann man sich dann mit seinem Pferdehirn nicht mehr vorstellen, wie es gewesen ist, ein Mensch zu sein. Also entscheidet man sich, die Evolutionsleiter stetig und unaufhaltsam hinabzusteigen.«
Er hebt die Brauen. Ich hebe den Blick. »Da bleibt sich nur noch zu fragen, welch grandioses Wesen ich wohl vorher gewesen sein mag, das sich nach einem einfacheren Leben als Mensch gesehnt hat.«
James sieht mich seltsam an und seufzt vernehmlich, um mir zu zeigen, was genau er von meiner Überlegung hält.
»Fakt ist, wenn den Dreien jemand auffällt,
Weitere Kostenlose Bücher